Russische Sanktionen gegen EU und USA: Brenne, Apfel, brenne
Vor einem Jahr verhängte Moskau einen Einfuhrstopp gegen westliche Waren. Jetzt will Putin das Zeug gleich an der Grenze vernichten.
Es ist die neueste Volte im Sanktionsstreit zwischen Russland auf der einen, den USA und der EU auf der anderen Seite. Die US-Regierung kündigte zudem neue Strafmaßnahmen gegen 15 Organisationen und Personen an, die Sanktionen im Rüstungssektor umgangen haben sollen. Moskau boykottiert vor allem Agrargüter, im ersten Halbjahr 2015 beschlagnahmte der Zoll 552 Tonnen illegaler Lebensmittel.
Viele Waren gelangten dennoch in russische Läden. Käse, Mozarella, Hummern und Lachs fanden über Weißrussland, Kasachstan und zuletzt auch Armenien ins Land. Originäre Waren, die von den Nachbarn lediglich umetikettiert werden mussten.
Besonders die Mitglieder der neuen Eurasischen Wirtschaftsunion taten sich dabei hervor und nutzten die Chance, um an den Sanktionen mitzuverdienen. Gesetzlich ist zwar die Einfuhr verboten nicht aber deren Verkauf. Dem will der Kreml nun durch Entsorgung einen Riegel vorschieben.
Eine jugendliche Vorhut machte sich schon im Vorfeld auf die Suche nach europäischen Lebensmitteln in russischen Supermärkten, begleitet von einer Kamera des staatlichen Fernsehens. „Iss russisch“ heißt das Projekt der Organisation „chriuschi protiv“, was soviel bedeutet wie „Ferkel sind dagegen“.
Tadellose Schweinchen
Dahinter verbirgt sich eine Anspielung auf ein tadel- und makelloses Schweinchen aus der Sendung des Sandmännchens. Die jugendlichen Eiferer sind jedoch eine Erfindung der chauvinistischen Kremljugend „Naschi“ – die Unsrigen.
Der Aufkleber zur Kennzeichnung der Schmugglerware ist ein mit fletschenden Zähnen nach einer US-Flagge schnappender Bär mit der Aufschrift „Produkt sanktioniert“. Die jungen Leute sind begeistert.
Gelegentlich geraten auch mal Produkte aus westlichen, von Sanktionen ausgenommenen Ländern wie der Schweiz, in die Hände der Kontrolleure. Mit 100.000 Euro unterstützt der Kreml die Gruppe in diesem Jahr aus dem präsidialen Fonds für Zivilgesellschaft. Iphones gehören bei den Wächtern des Importverbots zur Grundausstattung.
Ein Jahr nach Verhängung der Sanktionen steht fest: Russland ließ sich weder in der Krimfrage noch in der Ostukraine durch die Maßnahmen zum Einlenken bewegen. Die Sanktionen haben stattdessen politische Führung und Bevölkerung noch enger zusammengeschweißt.
Ursache der Krise liegen tiefer
Da Ölpreisverfall, strukturelle Wirtschaftskrise und Sanktionen zusammenfielen, verfestigte sich bei der Bevölkerung der Eindruck, dass die Sanktionen sich nicht wie angekündigt gegen einzelne Personen und Betriebe richten, sondern gegen das ganze Land. Die Sanktionen verstärkten die negativen Trends der russischen Wirtschaft, verursacht haben sie die Krise aber nicht, meinen auch russische Beobachter.
Am härtesten treffen Russland die Beschränkungen auf dem Kapitalmarkt. Moskau erhält keine Kredite mehr, um Schulden zu bedienen. Obwohl die Einschränkung zunächst nur für staatliche Banken und Energiekonzerne galt, sind die meisten westlichen Banken und Handelsorganisationen wegen der hohen Risiken auch nicht mehr zur Kreditvergabe bereit.
Überdies sind Direktinvestitionen drastisch gesunken. Der Kreml machte zunächst aus der Not eine Tugend: Er deklarierte die Sanktionen als Chance, sich auf eigene Kräfte zu besinnen und die Diversifizierung der Wirtschaft in Angriff zu nehmen. Die Ergebnisse sind bislang bescheiden. Laut Experten braucht der Agrarsektor mindestens fünf Jahre für gleichwertigen Ersatz.
In vielen Bereichen wird dies auch nur unter Beteiligung in Russland angesiedelter westlicher Großunternehmen möglich sein. Noch ist es auch zu früh, um einzuschätzen, wie sich die wichtige russische Energiebranche entwickelt, die von wichtiger westlicher Hochtechnologie abgeschnitten ist.
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