Russische Propagandavideos beim ORF: Schweigen und weitermachen
Der Österreichische Rundfunk steht in der Kritik wegen Verbreitung prorussischer Inhalte. Bezeichnend ist der unsouveräne Umgang des ORF damit.
Zwei Propagandavideos brachten den österreichischen ORF Mitte August in Erklärungsbedarf. Der Beitrag „Korruption in der Ukraine“ in der Hauptnachrichtensendung „Zeit im Bild“ war mit gleich zwei Videos aus prorussischen Kanälen bebildert, die nichts mit dem Beitragsthema zu tun hatten. Die taz berichtete damals.
Bezeichnender als der Fehler selbst ist jedoch die Art und Weise, wie der ORF damit umgeht. Zunächst reagierte das Medienhaus patzig: „Dem ORF russische Propaganda zu unterstellen, ist absurd und richtet sich von selbst“, erhielt die taz als Antwort.
Erst nach breiter Kritik räumte das größte Medienhaus Österreichs die Verwendung falscher Videoaufnahmen in einer knappen Entschuldigung ein. Wie es zu dem Fehler kam, erklärte die Moderatorin nicht. Zusätzlich fehlte die Information, dass die Videos ein russisches Propagandamotiv – nämlich wie ukrainische Männer von angeblich korrupten Behörden in den Krieg gezwungen werden – transportieren.
Wie konnte es dem ORF passieren, gleich zwei Propagandavideos in einem zweiminütigen Beitrag einzubauen? Warum fiel das auch in der Freigabe des Beitrags nicht auf? Wie will das Haus solche Fälle künftig verhindern? Mehrere taz-Anfragen an den ORF ließ dieser unbeantwortet.
Kein Einzelfall
Dabei handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall. ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz berichtet seit 2013 aus der Ukraine und fällt genauso lang durch die Verbreitung prorussischer Narrative auf. Bereits im Zuge der Euromaidan-Proteste betonte Wehrschütz vor allem die gewaltbereiten Demonstranten. Im Zuge des russischen Einfalls im Donbass 2014 sprach er von „Rebellenrepubliken“ und vermittelte das Bild eines Bürgerkriegs.
Zum Fund von Massengräbern in Isjum im September 2022 sagte Wehrschütz, man müsse erst prüfen, ob es sich wirklich um tote Zivilisten handle. In einer Cartoonsequenz auf seiner Facebook-Seite legt er eine Kriegsschuld der Nato nahe. Am ukrainischen Unabhängigkeitstag vergangen Freitag postete er kommentarlos einen Telegraph-Artikel mit Untertitel: „Ein Sieg von Putin könnte in Sicht sein.“
Das journalistische Handwerk begann Wehrschütz in den 1980er Jahren bei der rechtsextremen Zeitschrift Aula, deren Chefredakteur er wurde. Sein allererstes Interview führte er mit dem Holocaustleugner David Irving. Die 1988 gegründete Tageszeitung Der Standard nannte er mit antisemitischer Anspielung einen „selbsternannten Gralshüter des politischen Liberalismus, der wohl mehr der Ostküsten-Mentalität der Vereinigten Staaten […] entsprechen dürfte“.
Kritik einfach aussitzen
Bis 2002 war Wehrschütz, damals schon jahrelang beim zur Objektivität verpflichteten ORF, FPÖ-Mitglied. 2018 verlor Wehrschütz seine Einreiseerlaubnis, unter anderem wegen „antiukrainischer Berichterstattung“. Erst auf Druck des FPÖ-geführten Außenministeriums erhielt er die Akkreditierung zurück.
Etliche ORF-Mitarbeiter kritisieren Wehrschütz’ Berichterstattung, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand. Wegen seiner Kontakte in die ÖVP-nahe Generaldirektion und in die Spitzenpolitik sei er unantastbar. Tatsächlich rückten prompt Sprecher von Bundesheer und Bundeskanzleramt auf Twitter aus, um ihn zu verteidigen. Auch der halbe österreichische Medienbetrieb steht hinter ihm, die Tiroler Tageszeitung sprach zunächst von einem „Hoppala“ (änderte dann auf „Irrtum“).
In einem Interview ebendort, auch anlässlich der aktuellen Kritik, behauptet Wehrschütz, die Ukraine würde absichtlich ihr eigenes Atomkraftwerk Saporischschja in Gefahr bringen: „Die Ukraine muss sozusagen den Westen bei der Stange halten.“ Die Aussage bleibt unbelegt. Auch der Kurier sprang in die Bresche und titelte: „Hut ab vor Christian Wehrschütz!“ Noch am 18. August erschien ein „Krone-Leserbrief“ von Wehrschütz, Titel: „Habe keine prorussische Haltung.“ Die Kronen Zeitung ist die meistgelesene Zeitung des Landes. Eine Woche später beteuerte er ebendort, sich „nicht abbringen zu lassen“. Im völlig unkritischen Interview schimpft er auf ukrainische Männer, die „sich der Einberufung durch Flucht ins Ausland entziehen“.
Zu alldem schweigt der ORF, der offenbar einmal mehr die Kritik aussitzen will.
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