Russengas marsch – Jamal in Brandenburg

■ Über die 4.200 Kilometer lange Trasse strömt russisches Erdgas nach Deutschland

Podelzig (taz) – Sie tragen schwere Lederkluft, Stiefel und Handschuhe. Ihre Augen verstecken sie hinter schwarzen Brillengläsern, ihre Gesichter hinter dunklen Visieren – die Männer von der Pipeline. Im Westen Brandenburgs, zwischen den Dörfern Reitwein und Mallnow, machen sie sich unaufhörlich an einer 13 Kilometer langen stählernen Schlange zu schaffen. Furchtlos ertragen sie dabei den gewaltigen Feuerregen, der auf sie niederprasselt.

Im Auftrag des deutsch-russischen Gemeinschaftsunternehmens Wingas fügen sechs Schweißtrupps auf den Oderwiesen 700 Rohre mit einem gigantischen Durchmesser von 1,42 Meter für ein Jahrhundertprojekt zusammen – die Jamal-Trasse. Elf Kilometer sind bereits geschafft. „Am 15. November wird es endlich soweit sein. Das erste russische Erdgas strömt dann durch die Pipeline nach Deutschland“, ist Wingas-Sprecher Marc Cyrus Vogel zuversichtlich.

Auf der westsibirischen Halbinsel Jamal nimmt die schwarze Riesenschlange ihren Anfang. Auf 4.200 Kilometer schlängelt sie sich durch frostige Tundra, Sümpfe, Moore, Seen und Flüsse – auch durch die Oder. Bauleiter Thomas Rath: „Dort haben unsere Jungs im letzten Jahr einen 500 Meter langen Düker bei Reitwein unters Wasser verlegt.“ Seit April wird von dort aus das 13 Kilometer lange Trassenstück bis zur Verdichterstation nach Mallnow zusammengefügt. Eine Knochenarbeit. Millimeter für Millimeter fügen die Männer mit einer 1.200 Grad heißen Flamme die bis zu 18 Meter langen, 13 Tonnen schweren Rohre aneinander. Vier Schweißer schuften 2,5 Stunden an einer Naht. Für Heimweh und Angst ist hier kein Platz.

Die 24 Schweißer, die im Oderbruch ranklotzen, sind eine internationale Truppe. Sie kommen aus Irland, England, Holland, Ägypten, Polen, Exjugoslawien. Allesamt absolute Experten. Fehler können sie sich nicht leisten. Bauleiter Thomas Rath: „Mit einem Druck von 84 Bar wird hier das Erdgas durchgepreßt, 25 Milliarden Kubikmeter jährlich. Da muß jede Schweißnaht sitzen.“ Doch vorher wird jede Naht mit Röntgenstrahlen und Ultraschall geprüft, wird Wasser mit 150 Bar durch die Rohre gedrückt.

30 Millionen Mark kostet die 13 Kilometer lange Rohrleitung durch den Oderbruch. Die gesamte Jamal-Trasse zehn Milliarden Dollar. Doch in Mallnow hat sie ihr Ziel längst noch nicht erreicht. Auf 800 Kilometern soll sie sich noch weiter durch Deutschland fressen – über Brandenburg nach Sachsen-Anhalt, Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg – genügend Arbeit für die Männer von der Pipeline. Bärbel Arlt