Rundfunkfinanzierung in Norwegen: Freude, aber mit Vorsicht
Norwegen schafft die Rundfunkgebühr ab und ersetzt sie durch eine Steuer. Könnte das ein Modell für Deutschland sein?
In Norwegen verschwindet ein Beruf. Der des „Kontrollanten“, der abends an der Wohnungstür läutet und wissen möchte, ob man denn auch brav seine Rundfunkgebühr bezahlt hat. Zum Jahresende wird die Rundfunkgebühr nämlich abgeschafft. NRK, der öffentlich-rechtliche Radio- und TV-Anbieter, wird dann über die Steuer finanziert. Das teilte Kultusministerin Trine Skei Grande am Freitag in Oslo mit.
Nach Finnland, Dänemark und Schweden, wo die Öffentlich-Rechtlichen bereits steuerfinanziert sind, ist Norwegen das letzte skandinavische Land, das diesen Schritt macht. Das werde nur Vorteile haben, versprach Skei Grande – sowohl für die BürgerInnen als auch für NRK.
Bislang musste jeder norwegische Haushalt, der ein TV-Gerät bereithielt, die „NRK-Lizenz“ von jährlich umgerechnet 300 Euro zahlen. Ab 1. Januar 2020 müssen alle zahlen, wie viel, das wird vom Einkommen anhängen. Wer unter 15.000 Euro im Jahr verdient, muss 20 Euro zahlen, bei einem Einkommen zwischen 20.000 und 25.000 Euro – und in diesem Rahmen bewegen sich beispielsweise die durchschnittlichen Renten – werden es 140 Euro sein. Die Höchstsatz soll bei 170 Euro liegen. Für Geringverdienende und Alleinstehende wird es damit billiger, für einen Haushalt mit zwei VerdienerInnen dagegen etwas teurer.
Die Staffelung der NRK-Steuer nach Einkommen stieß im Land auf positive Kritik. Genauso die Tatsache, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Angebots nun nicht mehr von der Empfangstechnik abhängig ist – also davon, ob man die Programme an einem TV-Gerät oder über ein Smartphone konsumiert. Auch der Chef des öffentlich-rechtlichen NRK, Thor Gjermund Eriksen, begrüßte die Pläne der Regierung: „Wir haben ein neues Finanzierungsmodell dringend gebraucht.“ Nun gebe es eine langfristigere Finanzierungssicherheit für den Sender, auch weil die Grundlagen für die Mediensteuer künftig jeweils für vier Jahre festgelegt werden, statt sie wie bisher jährlich neu festzusetzen.
Medienkommission warnt
Unproblematisch sei solch ein Steuermodell jedoch nicht, hatte eine Medienkommission schon vor drei Jahren konstatiert, als sie verschiedene Alternativen für eine künftige NRK-Finanzierung vorlegte. Vielmehr sei eine Steuer diejenige Lösung, die die unabhängige Stellung des Senders am meisten gefährden könne.
Davor warnte auch NRK-Chef Eriksen jetzt noch einmal: „In einigen anderen Ländern haben wir ja gesehen, dass eine Finanzierung über den Staatshaushalt zu weniger Stabilität geführt hat.“ NRK sei zu 100 Prozent im staatlichen Eigentum, „wir sind also verwundbar“: „Wollen wir das Vertrauen des Volks behalten, ist unsere redaktionelle Selbstständigkeit fundamental.“
Auch in Deutschland diskutieren die MinisterpräsidentInnen der Länder derzeit darüber, wie der Rundfunkbeitrag zukünftig aussehen soll. Die IntendantInnnen der Sender fordern eine deutliche Erhöhung des Beitrags ab 2021. RundfunkpolitikerInnen sind dagegen. Ein Steuermodell wie in Norwegen ist in Deutschland momentan nicht im Gespräch.
Stattdessen schwebt vielen ExpertInnen ein sogenanntes Indexmodell vor, bei dem der Beitrag an der Inflationsrate ausgerichtet werden soll. Das würde die regelmäßigen Gespräche über eine Erhöhung überflüssig machen. Zuletzt hatten sich der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Spiegel dafür ausgesprochen. Ein Expertengremium prüft das Indexmodell derzeit. Mitte Juni soll es erste Ergebnisse vorlegen und Vorschläge machen.
Weiterer Plan in Norwegen: Finanzierung von Lokalpresse
Neben der Finanzierung des Rundfunks haben die PolitikerInnen in Norwegen auch die Finanzierung der Tagespresse neu geordnet. Seit 50 Jahren gibt es in Norwegen eine staatliche Presseförderung, rund 60 Millionen Euro gibt das Land dafür allein in diesem Jahr aus.
1959, als die Förderung startete, sollte sie eine „differenzierte Tagespresse“ aufrecht erhalten und ein Massensterben vor allem lokaler Zweitzeitungen verhindern. Mittlerweile geht es nicht mehr um lokale Zweitzeitungen. Die Regionen, an denen es kaum noch oder gar keine lokale Berichterstattung mehr gibt, werden immer größer. „Heute haben wir viele Orte, die in einem journalistischen Halbschatten liegen und große Bereiche, die medial nicht abgedeckt werden“, konstatierte die Kultusministerin Skei Grande am Freitag.
Ohne Einzelheiten zu nennen, kündigte sie eine Ausweitung der Presseförderung an, die lokalen Medien zusätzliches Geld zur Verfügung stellen werde: „Länder, die vor allem mit Populismus zu kämpfen haben, kennzeichnet eine Gemeinsamkeit: Es fehlen dort Lokalzeitungen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin