Rundfunk und Fernsehen: Man sendet deutsch
Multilinguale Sender gehören zur aussterbenden Spezies. Zum Jahreswechsel stellt der HR seine griechischen und spanischen Sendungen ein.
Neulich im Businesshotel - wie üblich laufen über den Fernseher auch Radioprogramme. Auf dem ersten Stationsplatz läuft Funkhaus Europa. "Wir sprechen Ihre Sprache", tönt es aus den Boxen. Der deutsche World-Music-Kanal ist das einzig verbliebene GEZ-finanzierte Radioprogramm, das mehrsprachig sendet. Den internationalen Gästen gefällt es und der Hotelleitung ist es wichtig, Weltläufigkeit zu demonstrieren.
Dass es so etwas gibt, haben wir wohl dem Kommunismus zu verdanken. Die ersten Gastarbeitersendungen der ARD-Anstalten sollten die mehrsprachigen Programme aus dem Ostblock überflüssig machen, die über Kurzwelle in der BRD empfangen werden konnten. Radio Prag und Radion Berlin International sendeten schon in den 50er-Jahren auf Spanisch, Italienisch, Arabisch, Portugiesisch, Griechisch oder Türkisch. Also lange bevor der deutsche Rundfunk 1964 mit den ersten muttersprachlichen Sendungen begann. Fortan hieß es: "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den Auftrag, sich um die Minderheiten in der Gesellschaft zu kümmern, und zu diesen Minderheiten gehören auch die Ausländer."
Doch der Kalte Krieg ist lange vorbei, immer weniger Rundfunkentscheider fühlen sich ihrem Auftrag zur Mehrsprachigkeit verpflichtet. Die Gesellschaft wird immer globalisierter - das deutsche Radio wird immer nationaler. Zumindest was die Sendesprache angeht. 2003 strichen der Bayerische Rundfunk und der Südwestrundfunk die Muttersprachensendungen ersatzlos. Der Hessische Rundfunk übernahm daraufhin die Produktion von Griechisch und Spanisch, doch am 1. Januar ist auch damit Schluss.
Das nimmt der Westdeutsche Rundfunk zum Anlass und kürzt zum Neujahr auch die Sendezeit auf Türkisch. Dabei ist der WDR neben Radio Bremen der einzige Sender, der mit Funkhaus Europa überhaupt multilingual sendet. Selbst der Rundfunk Berlin Brandenburg strich vergangenes Jahr sein Radio Multikulti. In den Chefetagen der Rundfunkanstalten in Frankfurt, Stuttgart, Hamburg oder München kann man sich überhaupt nicht mehr vorstellen, mehrsprachig zu senden. In Zeiten von Internet und Satelliten-TV sei Nichtdeutsches nicht mehr nötig, heißt es dort.
Dabei könnte es so einfach sein. Warum nicht Funkhaus Europa bundesweit auf UKW ausstrahlen? Die Anstalten könnten sich Kosten und Produktion teilen und der Taxifahrer in München könnte genauso Babooshka Beats laufen lassen wie sein Kollege in Dortmund. Aber vielleicht wäre das zu weltoffen. Und es entspräche Artikel 22 der Charta der Grundrechte in der EU: "Die Europäische Union respektiert die sprachliche Vielfalt".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Pistorius wird nicht SPD-Kanzlerkandidat
Boris Pistorius wählt Olaf Scholz