piwik no script img

Rundeverordnung

Prozess wegen Farbattacke auf Ex-Bürgermeister Runde endet mit 2100 Euro Geldstrafe. Rasseliste und Kampfhundeverordnung im Visier

von Magda Schneider

Eigentlich hätte der Prozess gegen Hundehalter Sven S. nach einer Stunde zu Ende sein können. Der Sachverhalt war klar: Er hatte auf der Demo zum 1. Mai 2001 den damaligen Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) wegen der Kampfhundeverordnung mit roter Theaterfarbe bespritzt. Sven S. ist geständig und auch bereit, sich dafür bei Runde zu entschuldigen, denn der neue Rechtssenat will die Rasselisten-Verordnung zum August durch eine neue Hundeverordnung mit Wesenstest für jeden einzelnen Hund ersetzen.

Doch Amtsrichterin Silke Meyerhoff wollte den Ablauf der Tat genau erkunden – ohne Runde selbst laden zu müssen – und so musste die ganze Bodyguard-Riege noch im Zeugenstand erscheinen, bevor sie S. wegen Beleidigung und Sachbeschädigung zu 2100 Euro Geldstrafe veurteilte. Meyerhoff: „Es mag ja sein, dass die Hundeverordnung nicht rechtens war, aber sie haben das Maß im Meinungskampf überschritten.“

Sven S. war selbst Opfer: Nachdem seine Hündin, ein Staffordshireterrier, im Herbst 2000 in heimischer Umgebung im Garten seines Freundes ohne Maulkorb und Hundeleine von Polizisten angetroffen worden ist, bekam er ein Bußgeld aufgedrückt. Zudem wurde gegen ihn eine Beschlagnahmeverfügung erlassen, die er jedoch wegen Zustellproblemen nie erhalten hat. „Plötzlich standen sechs Polizisten mit gezogenen Pistolen vor der Tür und haben den Hund beschlagnahmt“, schildert S.

Verantwortlich dafür waren für ihn Runde und dessen Innensenator Hartmuth Wrocklage, die trotz gesetzlicher Möglichkeiten nicht durchgegriffen hätten. „Es war stadtbekannt, dass Ibrahim K. seine Hund Zeus für Hundekämpfe abgerichtet hat.“ Doch erst nachdem Zeus und ein weiterer Hund im Juni 2000 in Wilhelmsburg den siebenjährigen Volkan getötet hatten, habe der Senat reagiert. Mit der Rassenliste wollte die Regierung „ihre Hände in Unschuld waschen“, sagt S., „300 Hunde wurden aus Familien oder ihrem Umfeld gerissen, nicht weil sie gefährlich waren, sondern weil sie einer Rasse angehörten.“ Alle Möglichkeiten, auf den Senat einzuwirken, wären gescheitert. „Runde lachte uns nur aus. Es war der letzte Weg, um sich in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen, ohne ihn zu verletzen.“

Doch die Farbattacke geht Meyerhoff zu weit. „Damit haben sie Herrn Runde als Person diffamiert und in seiner Würde herabgesetzt“, begründet sie den Schuldspruch. Vom Vorwurf der Beleidigung – „Ortwin Runde tötet Hunde“ und „Im Grunde ist Ortwin Runde Futter für die Hunde“ – wurde S. allerdings freigesprochen. Diese Sprüche hält die Richterin für eine „plakative und kreative Meinungsäußerung“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen