piwik no script img

Runder Tisch KindesmissbrauchDuschverbot für Pädagogen

Der Runde Tisch fordert Mindeststandards gegen Missbrauch und bessere Aufklärung in den Schulen. Lehrer und Opfervereine fordern einen lokaleren Blick.

Möchte strengere Regeln: Familienministerin Kristina Schröder. Bild: dpa

Der Runde Tisch Kindesmissbrauch will einheitliche Mindeststandards zur Verhinderung von sexueller Gewalt durchsetzen. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) sagte am Dienstag, es gebe große Einigkeit darüber, dass die finanzielle Förderung von Kinder- und Jugendeinrichtungen an die Einhaltung dieser Regelungen geknüpft werden müsse. Zuvor hatte sie am ersten Treffen der Arbeitsgruppe "Prävention und Intervention" teilgenommen.

Beim nächsten Treffen der Arbeitsgruppe im Juni will sie diese Standards weiter konkretisieren. Sie dürften "nicht zu nebulös" sein, sagte Schröder, da sie von den jeweiligen Aufsichtsbehörden überprüft werden müssten. "Wenn wir vorschreiben würden, dass es ein Klima der Sensibilität geben muss, wäre das schwierig zu überprüfen", so Schröder. Beispielsweise müssten Fragen der Nähe und Distanz geregelt werden: "Wir müssen entscheiden, wann mehrere Erwachsene anwesend sein müssen und wann sie gar nichts bei Kindern und Jugendlichen zu suchen haben, etwa beim Duschen."

Zusätzlich sollen aber auch Betreuer sowie Kinder und Jugendliche besser über sexuelle Gewalt informiert werden. Jedes Kind müsse wissen, was sexuelle Gewalt sei und was es tun könne, wenn es Missbrauchs- oder Annäherungsversuchen ausgesetzt sei. "Kinder und Jugendliche brauchen dafür einen konkreten Ansprechpartner – wie eine Notrufnummer – an die sie sich wenden können." Gleichzeitig müsse in Schulen besser aufgeklärt werden, so Schröder. Das Thema sexuelle Gewalt sei zwar bereits flächendeckend in Lehrplänen verankert, werde aber selten behandelt.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus, der auch am Runden Tisch sitzt, sagte der taz, der Aufklärungsunterricht sei schwierig: "Eltern sind sehr sensibel, was das angeht, und reagieren oft sehr heftig, wenn ihnen etwas nicht passt. Ein Großteil der Missbrauchsfälle findet ja in Familien statt und Lehrer bewegen sich auf dem Grat zwischen Aufklärung, Beratung und Denunziation." Dennoch sei es wichtig, dass Lehrer zum Thema sexueller Gewalt aus- und fortgebildet würden.

Kritik kam von Opfervereinen. Die Geschäftsführerin des Vereins "Wildwasser" gegen sexuellen Missbrauch, Iris Hölling, nannte die Ergebnisse "richtig, aber wahrscheinlich nicht ausreichend". Mindeststandards seien nur dann wirksam, wenn sie vor Ort von den Institutionen ausgearbeitet würden. "Es muss eine flächendeckende Verpflichtung geben, Standards zu erstellen", sagte Hölling der taz. "Aber nur wenn die Institutionen sie selbst ausarbeiten, sind Richtlinien wirksam." Auch Lehrerverbandspräsident Kraus forderte lokale Runde Tische.

Dass bei der Ausbildung von Fachkräften sexuelle Gewalt thematisiert werden solle, sei "schön", so Hölling: "Das fordern wir aber seit 20 Jahren und bisher ist nichts passiert. Beim Runden Tisch werden viele alte Hüte und wenige neue Wahrheiten verkündet."

Der Runde Tisch gegen sexuellen Kindesmissbrauch war Ende April erstmals zusammengekommen. Das Gremium hat 60 Teilnehmer und wird neben Schröder von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) geleitet. Der gesamte Runde Tisch wird im September wieder tagen. Ein Zwischenbericht wird Ende des Jahres erwartet, der abschließende Bericht erst 2011.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

8 Kommentare

 / 
  • J
    Jens979

    Aus eigener Erfahrung - ich war selbst Jugendleiter - weiß ich das es schwierig sein wird, ein solches Verbot in der Praxis durchzusetzen.

     

    In einem Jugendcamp morgens ließe es sich ja noch ausrichten, dass zuerst die Leiter und dann die Kinder duschen gehen. Dort ist eine Trennung kein Problem.

    Wenn jetzt aber die Gruppe schwimmen geht, dann würden die Leiter mit der Verantwortung die sie tragen ins schwimmen kommen. Auch hier Ich die Verantwortung (Aufsichtspflicht) für die Kinder. Soll ich meine Kinder alleine in die Dusche lassen, so dass diese im schlimmsten Fall von Fremden Belästigt werden. Oder soll ich dabei bleiben um meine Kinder zu schützen? :/

    Die beste Versicherung, das nichts geschieht, bleibt immer noch, das Vier Augen mehr sehen als Zwei.

  • D
    Dieter.Gieseking

    Duschen nur noch ohne Erwachsene. Wo soll das noch hinführen? Missbrauchshysterie pur ! Mir fehlen bald wirklich die Worte für so einen Wahnsinn !

  • B
    Bärenseele

    Warum fängt man nicht in den KiTas, wer ist auf die besoffene Idee gekommen männliche Kindergärtner einzustellen? Die Liberalen oder die Grünen? Keine Ahnung!

     

    Ich bin 55 und zu meiner Zeit gab es die Probleme mit Lehrern und so nicht, weil Mädchen gingen mit Lehrerinnen in die duschen und Jungs mit Lehrern.

     

    Ja ich weiß, die sind auch nicht vor sexuellem Missbracuh nicht sicher, denn ich bin selber ein Überlebender, aber da gäbe es wenigstens Polaritäten.

  • SB
    Schneider, Brigitte

    Die Forderung lokaler runder Tische ist gerade im Osten Deutschlands dringend erforderlich.

     

    Am Beispiel Leipzig wird Deutlich, dass die Selbstverwaltungen 20 Jahre vertuscht, geschiwegen aber auch nicht gewillt waren, bekannt gewordene Fälle aufzuklären.

  • A
    Alexina

    Es ist wohl nicht sehr viel mehr als ein frommer Wunsch, dass irgendwelche Richtlinien sexuellen Missbrauch in Bildungsinstituionen verhindern werden (selber Missbrauch tritt übrigens auch in anderen pädagogischen Institutionen auf, wie zb Behindertenheime, Jugendheime usw. und dies nicht nur in sexualstrafrechtlicher Form). Die dort arbeitenden Personen haben schlicht eine Macht, die sie ausnutzen können und die sie überhaupt erst durch die Institutionen haben und die eben genau das Problematische ist. Diese Macht müsste folglich suspendiert werden; das würde wiederum zu dem zählen, was man "Negation der Institution" nennt (zb. nachlesbar in Basaglia: "Die negierte Institution"). Richtlinien usw. führen nur dazu, dass einerseits mehr Überprüfung und Kontrolle aller Beteiligten erschaffen wird (inkl. der Verwaltung dieser Kontrolle und Überwachung, die von anderen Stellen geführt werden muss) und andereseits, dass die dort Arbeitenden noch mehr Zugirff vor allem auf Familien bekommen, insofern sie Relais des Strafrechts und der Normalisierung selbst sind (siehe: J. Donzelot: "Die Ordnung der Familie".), was übrigens für alles Sozialarbeiter und Co. gilt. Richtlinien verhindern nicht, das vergewaltigt und missbraucht wird und das anzunehmen oder gar als richtig zu bezeichnen ist gelinde gesagt naiv. Auch "Aufklärung" wird nicht viel bringen, wenn zb. ein Anzeigen von Lehrern mit sich bringt, dass gleich ganze Genealogien von Familien geprüft werden und die "Schulkarriere" (i.e. Bildungskarriere) dadurch in mehreren nicht unwichtigen Punkten massiv gefährdet wird: so lange es vorteilhafter ist, seinen Mund zu halten oder genügend Repression zur Erzeugung von Angst stattfindet (Repression, die eben durch die Macht der Institution erst möglich ist), wird keine Richtlinie irgendwas Fundamentales an dem Problem verändern; dazu bedürfte es einer grundlegenden Reform der ganzen Institutionen. Für die Schule zb. zählt zu solchen Dingen auch der Schulzwang und allgemein die in der Tat angestiegende Pathologisierung kindlichen Verhaltens (ADS/ADHS: Unaufmerksamkeit als Psychopathologie) innerhalb der Schule zb. durch Schulpsychologen und Sozialarbeiter. Auch darf man den mitschwingenden Generalverdacht nicht vergessen, der die Wünsche nach solchen Richtlinien begleitet, vor allem nicht in Zeiten der Überwachung und der unzulänglichen Sicherung von Datenschutz betreffenden Informationen: hier muss man das mögliche Potential zur Denunziation unbeliebter Querdenker im Hinterkopf behalten, welches solche Implementierungen von Richtlinien ebenfalls begünstigen.

    Über sowas müsste ein wirklich ernstgemeinter und ehrlicher Diskurs stattfinden, ansonsten wird sich nichts ändern, außer diverser Verblendungen, die in falsche Beruhigungen münden. Sexueller Missbrauch von Schülern ist in der Tat ein gigantisches Problem, aber alle bisherigen Reformen haben nicht dazu geführt, dass er verhindert würde, was die BEschäftigung mit der Geschichte dieser Institution nahelegt. Es bleibt aber anzunehmen, dass außer politischen Rohrkrepierern nicht viel kommen wird, allein schon, weil Institutionen-Politik heute fast völlig losgelöst von deren Geschichte stattfindet (in der Tat auch dies nicht ohne Grund, denn die wenigsten dieser Institutionen können sich mit ihrer Geschichte rühmen).

  • R
    Raubwaldy

    Das etwas getan werden muss scheint bei den meisten ja jetzt angekommen zu sein.

    Aber mit noch mehr Gesetzten und Verordnungen zu tun hat für mich einen faden Beigeschmack. jeder Sozialpädagogen, Lehrer, Erzieher, Heilerziehungspfleger usw. steht schon jetzt ständig mit einem Bein im Knast da es für alles, Verordnungen gibt welche in der Praxis nicht umsetzbar sind bzw. wenn sie konsequent umgesetzt werden würden eine erfolgreiche Jugendarbeit unmöglich machen würden

    Auf mich wirkt dass jetzt wie als wenn die Politiker nur zeigen wollen das sie etwas tun. Leider gibt es (fast) keine öffentliche Diskussion was man tun kann.

  • P
    Peterchen

    Duschverbot für Pädagogen ... ich sehe schon die Schlagzeile vor mir "Jugendlich mißbrauchen Mitschüler in der Dusche - wo waren die Aufsichtslehrer?"

  • K
    Klops

    Das ist aber ein gan zschön unglücklicher Satz:

     

    "Dennoch sei es wichtig, dass Lehrer zu sexueller Gewalt aus- und fortgebildet würden."