: Rumänien versucht sich in Demokratie
■ Securitate und Todesstrafe sind abgeschafft, das Mehrparteiensystem wurde eingeführt, bereits sechs Parteien sind gegründet Securitate-Chef und weitere Verantwortliche verhaftet / Desolate Wirtschaftslage: Teilprivatisierung in der Landwirtschaft, Stopp von Großprojekten
Berlin (ap/taz) - Die Rumänen können hoffnungsfroher ins neue Jahr gehen. Die Todesstrafe wird abgeschafft, die berüchtigte Geheimpolizei Securitate aufgelöst und die Landwirtschaft teilprivatisiert. In seiner Neujahrsansprache gab der rumänische Staatspräsident Ion Iliescu auch die Verhaftung des Chefs der Securitate, Ilujan Vlad, und zweier ehemaliger stellvertrender Innenminister bekannt. Ab März wird die Fünf-Tage-Woche eingeführt. Ab sofort können Bauern für ihre Produkte mehr Geld verlangen.
Doch Iliescu schenkte den Rumänen auch reinen Wein über die ökonomische Situation ein. Unter Ceausescu seien wissentlich Lügen über die Wirtschaftslage in Umlauf gesetzt worden, erklärte der neue Staatspräsident. Die Lage sei katastrophal. Statt der zu Ceausescus Zeiten angegebenen 60 Millionen Tonnen Getreide produziere das Land weniger als 17 Milionen. Um die Engpässe bei der Versorgung der Bevölkerung zu beheben, seien Produktionsanreize für die Landwirtschaft von größter Wichtigkeit. Iliescu kündigte den Stopp teurer Prestigeprojekte an. So sollen der Bau des Donau-Bukarest -Kanals und andere Milliardenprojekte aufgegeben werden werden. Allen im Exil lebenden Rumänen wird die Rückkehr gestattet.
Am Sonntag unterzeichnete Iliescu ein Gesetz über die Gründung neuer Parteien, in dem allerdings die Gründung „staats- und gesetzwidriger“ Parteien ausgeschlossen wird. Dieser Passus bezieht sich nach offiziellen Verlautbarungen auf die Gründung faschistischer Parteien. Bis gestern waren schon 6 neue Parteien gegründet, darunter auch eine grüne Partei. Nur 251 Unterschriften sind für die Parteigründung notwendig. Das Gesetz verbietet Beamten des Innen- und Verteidigungsministeriums, Richtern und Staatsanwälten, aber auch Rundfunkjournalisten die Mitgliedschaft in einer Partei.
Schweren Zeiten geht die Kommunistische Partei entgegen. Vom stellvertretenden Außenminister Corneliu Bogdan zum Tod verdammt, hat sich jetzt eine Initiativgruppe gegründet, die auf einem Sonderparteitag die Auflösung der Partei betreiben will.
Ausdrücklich dementierte Ministerpräsident Petre Roman am Samstag Berichte über arabische Söldner im Dienste des Geheimdienstes Securitate. Er bestätigte aber die Zahl der Opfer der Kämpfe: 60.000 Menschen seien ermordet worden oder bei den Kämpfen gefallen. Die US-Botschaft und andere westliche Diplomaten in Bukarest sprachen dagegen von rund 6.000 Todesopfern.
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