Rugby-WM: Mit Herz und Stolz

Erstmals steht Argentinien in der Vorschlussrunde einer Rugby-WM. Das Team um "Zauberer" Juan Martin Hernandez begeistert die Traditionalisten des Sports.

Kapitän Augustin Pichot im Einsatz. Bild: rtr

Diego Armando Maradona, Che Guevara, Tango - das sind sie, die drei mächtigen Grundpfeiler argentinischer Folklore. Unverrückbar, ewig, einzig stehen sie in der Kulturlandschaft am Rio de la Plata - momentan jedoch im Schatten des Ellipsoids. Die "Pumas", so nennt sich die argentinische Rugby-Nationalmannschaft, haben das Halbfinale der Weltmeisterschaft in Frankreich erreicht und spielen am Sonntag (21 Uhr, DSF) gegen Südafrika. Zu Hause, in Buenos Aires, musste sich nun sogar der Fußball der "Puma-Mania" beugen: um nicht mit der Übertragung des Viertelfinals gegen Schottland in Konflikt zu kommen, wurde der Klassiker Boca Juniors gegen River Plate kurzerhand verschoben.

Überrollt von der Zuneigung zeigte sich auch Nationalspieler Martin Durand. Tausende E-Mails würden die Mannschaft jeden Tag erreichen. Von Leuten, die vor ein paar Wochen das Wort "try" noch nicht mal hätten buchstabieren können. Spielt die Rugby-Auswahl der Gauchos, will momentan jeder Argentinier ein "Puma" sein. Fußball gilt als korrupt und ist mitunter lebensgefährlich, Polo ist der Sport des Landadels, Tennis was für Reiche. Bleiben Basketball, Frauen-Hockey ("Las Leonas") und eben Rugby. Das Bauernspiel, ausgeübt von Gentleman, das am Rio de la Plata reiner Amateursport ist. Der Einzug ins WM-Halbfinale ist für die Argentinier der größte Erfolg, seit der Holländer Tomas "Colo-Vil" Vilcinskas 1873 im Hafen von Liverpool aufbrach, um die Sportart nach Südamerika einzuschleppen.

Die "Pumas" können sich vor Komplimenten momentan kaum retten. Die französische Tageszeitung Le Figaro schlug sich schon nach dem Auftaktsieg gegen Frankreich auf die Seite der Bezwinger: "Man musste die Tränen dieser Südamerikaner beim Abspielen der Hymnen sehen, um zu verstehen, welchen Stellenwert dieses Ereignis und die Mission, die sie haben, hat." Les Cusworth, ehemaliger englischer Nationalspieler, jetzt Assistenzcoach der Argentinier, bezeichnete die Attitüde seiner Spieler gar als einzigartig. "So viel Stolz und Leidenschaft, für sein Land zu spielen, hab ich mit Sicherheit so noch nirgends auf der Welt gesehen."

Zu begeistern scheint der Aufstieg der Südamerikaner vor allem die Traditionalisten des Rugbysports. Während sich gezeigt habe, so Kolumnist Lewis Stuart in der Times, dass die Sportwissenschaft Mannschaften wie die der "All Blacks" vom wirklichen Rugby schon fast entfremdet hat, und selbst der Haka zu einem hohlen, kommerziell ausgeschlachteten Ritual verkommen sei, würden die "Pumas" noch mit den richtigen Werten antreten. Argentiniens Kapitän Agustin Pichot dazu: "Wir haben nicht die besten Techniker. Nicht die besten Spezialisten in diesem oder jenem. Aber wir kämpfen mit Herz. Und das ist im Rugby viel entscheidender."

Ganz richtig ist diese Analyse allerdings nicht. Gilt doch mit Juan Martin Hernandez ein Argentinier als Favorit auf den Titel des weltbesten Rugbyspielers 2007. "El Mago" (der Zauberer), wie Hernandez genannt wird, spielt im defensiven Spiel der Argentinier eine Schlüsselrolle. Mit so genannten Drop Goals bringt er die Mannschaft in Führung, ohne dass diese ihre Verteidigungsreihen aufgeben muss. Und das mit einer solchen Geschmeidigkeit, als ob es die leichteste Sache der Welt wäre, aus dem offenen Spiel heraus das Rugby-Ei mit dem Fuß über die Querlatte zwischen die Malstangen zu befördern.

Kein Wunder also, dass Hernández bei dieser WM von den argentinischen Fans mit "Marado, Marado"-Rufen (für Maradona) gefeiert wird. "Er ist ein Spieler, den Argentinien liebt. Er ist die Zukunft", sagt Agustin Pichot. Und da, wo in Argentinien Maradona ist, da ist auch der gute alte Che nicht weit. Ein Vorbild sei der Comandante, der selbst lange Rugby gespielt und mit seinem Bruder einst die Zeitschrift Tackle herausgegeben hat, so Agustin Pichot. Che sei die "die symbolische Abbildung Argentiniens".

"Lasst uns realistisch sein, verlangen wir das Unmögliche", hatte der Revolutionär einst von seinen Anhängern gefordert. Sollten das auch die übrigen "Pumas" ernst nehmen, können sich England, Frankreich und Südafrika schon mal warm anziehen.

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