Rührselige Rettung für den Rothenbaum?

■ Der ehemalige Wimbledon-Sieger Michael Stich bringt sich als Turnierdirektor am Rothenbaum ins Gespräch

Georg von Waldenfels hat ein Problem. Am 1. Mai beginnt das Tennis-Turnier der Frauen am Rothenbaum, zwei Wochen später dreschen die Männer die gelben Filzkugeln über das Netz. Doch leider hat der Präsident des Deutschen Tennis Bundes (DTB) bislang noch keinen neuen Turnierdirektor. Entsprechend chaotisch laufen auch die Vorbereitungen. Da kann der CSU-Politiker und ehemalige bayerische Minister von Glück sagen, dass sich ein altgedienter Tennis-Recke jetzt anheischig macht, den Job zu übernehmen. Michael Stich wäre bereit, ließ er via Hamburger Abendblatt vernehmen, an der Hallerstraße einzuspringen.

Und das auf fast rührselige Weise: „Das Turnier liegt mir sehr am Herzen, schon als kleiner Junge bin ich hier durch den Zaun gekrochen, um mir die Spiele anzusehen. Und ich bin deshalb absolut offen, mich mit den zuständigen Herren über eine mögliche Funktion am Rothenbaum zu unterhalten.“ Allerdings nennt Stich auch gleich seine Bedingungen. Das Turnier müsse in ein größeres Umfeld eingebettet und wieder ein Ereignis für jedermann werden. Mittelfristig könne man ein kulturelles Großereignis daraus machen.

Gespräche mit von Waldenfels oder anderen Verantwortlichen des Verbandes hat es zwar noch nicht gegeben, ein Modell für eine neue personelle Konstellation des Turniers hat der Wimbledon-Sieger von 1991 aber schon parat: „Ein ehemaliger Spieler als Repräsentant, als Verkäufer des Produkts, daneben eine starke Mannschaft, mit jungen und innovativen Frauen und Männern.“

Von Waldenfels wollte sich gestern Abend im Rahmen des Daviscup-Spiels in Braunschweig zu Stichs Vorschlägen äußern. Doch es ist kein Geheimnis, dass der 56-Jährige gerne eine deutsche Tennis-Prominenz an der Spitze der Organisationscrew vom Rothenbaum sehen würde. Nacheinander brachte er erst Boris Becker, dann Steffi Graf und auch schon einmal Stich ins Gespräch. Alle drei konnten sich vorstellen, mit dem DTB zusammenzuarbeiten, sagten aber ebenso unisono aus, dass sich niemand konkret an sie gewandt habe.

Wer immer die Arbeit im Tennis-Dom an der Rothenbaumchaussee übernimmt, hat eine Menge vor sich. Er muss zwar den Augiasstall DTB nicht persönlich ausräumen, aber den Geruch, der von dort herauszieht, wird er vorerst nicht loswerden. Der Vorgänger Günter Sanders, der selbst lange Jahre DTB-Präsident war und 1998/99 Stück für Stück entmachtet wurde, schied bereits in Unehren aus dem Betrieb aus.

Dubiose Finanzgeschäfte, Vorwürfe er habe Geld veruntreut, Sponsoren, die seiner Frau kostenlos Fahrzeuge überlassen hätten: All diese Vorwürfe wurden von den zuständigen Gremien mehrfach geprüft und für nicht haltbar erklärt. Sanders' Vertrag lief eigentlich noch bis 2004, schließlich stimmte er jedoch einem Auflösungsvertrag zu. Anschuldigungen, er habe sein Haus auf DTB-Kosten renovieren lassen, ließen ihn erkennen, dass sein Stand ein äußerst schlechter ist. Entsprechend dünn ließ er sich seinerzeit im Abendblatt zitieren: „Wer die Arbeiten letztlich bezahlt hat, weiß ich beim besten Willen nicht. Es lief alles ein bisschen komisch, die Sache hat sich mir bis heute nicht erschlossen. Die Dinge sind unklar und können unterschiedlich interpretiert werden.“

Aber nicht nur interner Knatsch machen es Stich – wenn er denn neuer Direktor werden sollte – das Leben schwer. Die Schweizer Agentur ISL, die die Rothenbaum-Veranstaltung für zehn Jahre vermarktet, musste kürzlich eingestehen, dass sie in finanziellen Schwierigkeiten stecke. Allerdings seien in diesem Jahr die Zahlungen gesichert. Fehlt nur noch ein Turnierdirektor, dann können die Turniere über die Bühne gehen. Michael Stich hätte es aber auf jeden Fall schwer. Eberhard Spohd