: Rückwärtsgewandt und kontraproduktiv
■ betr.: „Der gefesselte Kanzler“, taz vom 9.9. 97
Die Forderung von Jens König in der taz: „Deutschland braucht eine Anti-Euro-Opposition“, ist an Vordergründigkeit und Hohlheit nicht zu überbieten. Vergeblich sucht der Leser ein tragfähiges Argument, warum ausgerechnet kurz vor Beginn der Währungsunion das ganze Projekt verhindert werden soll. Das alleinige Ziel, Helmut Kohl auf diesem Wege ein Bein zu stellen, ist mir angesichts der Tragweite des Euro für die weitere Europäische Integration zu liederlich.
[...] Die Linke ist gut beraten, das Kapitel Euro abzuhaken. Zum Glück sehen das die Führungsleute bei der SPD und den Grünen genauso. Alle Energien sollten jetzt darauf gerichtet werden, die noch fehlenden Politiken auf der europäischen Ebene durchzusetzen. Die Linke sollte sich Gedanken über das „Europäische Gesellschaftsmodell“ machen. Wir brauchen jetzt Vorschläge, wie sich das soziale und das ökologische Europa angesichts der Globalisierung der Wirtschaft formieren und behaupten kann.
Die Rechte ist meines Erachtens mit dem Binnenmarkt und dem Wirtschaftseuropa zufrieden. Die Linke dagegen kann die Trennung der Wirtschaftspolitik von anderen Bereichen nicht akzeptieren. Deshalb brauchen wir jetzt eine europäische Beschäftigungs- und Sozialpolitik, die Verständigung über die Struktur der Steuersysteme in Europa und Konzepte für ein nachhaltiges Europa.
Über diese Themen müßte auch die taz ein Forum schaffen. Hierfür brauchen wir politische Netzwerke quer durch Europa und den entsprechenden öffentlichen Druck. Eine „Anti-Euro-Opposition“ auszurufen halte ich dagegen für rückwärtsgewandt und kontraproduktiv. Jo Leinen, Europapolitischer
Sprecher der SPD Saar und der
SPD-Landtagsfraktion Saarland
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