Rücktritt wegen Rassismus: Zwei Jahre später noch Angstzustände
Vor zwei Jahren ist Olivier Ndjimbi-Tshiende von seinem Pfarramt in Zorneding zurückgetreten. Er hatte rassistische Anfeindungen erhalten.
Auf dem Cover seines jüngst erschienenen Buchs klebt ein blauer Button: „Der Pfarrer aus Zorneding“ steht darauf. Könnte ja sein, muss sich der Verlag gedacht haben, dass manch einer mit dem Autorennamen Olivier Ndjimbi-Tshiende nichts anfangen kann. Aber den Pfarrer aus Zorneding, den kennt man, obwohl Ndjimbi-Tshiende seit genau zwei Jahren gar kein Pfarrer mehr ist. Und schon gar kein Zornedinger.
Doch was dem aus dem Kongo stammenden katholischen Priester vor zwei Jahren in der Münchner Umlandgemeinde widerfuhr, beschäftigte damals ganz Deutschland; selbst der britische Guardian schrieb über den Fall: Ndjimbi-Tshiende hatte sich in einem Interview kritisch über einen fremdenfeindlichen Artikel der Zornedinger CSU-Ortsvorsitzenden geäußert. Der Pfarrer war freilich nicht der Einzige, der die unsäglichen Tiraden der Politikerin monierte, aber der Einzige mit schwarzer Haut. Der stellvertretende Ortsvorsitzende verwarnte auch gleich „unseren Neger“.
Dann kamen die Postkarten und Briefe, Beleidigungen, auch Morddrohungen: „Wir schicken Dich nach Auschwitz. Amen! Du Nigger!“ Man kenne sein Autokennzeichen, wisse, wo er wohnt, liest der Pfarrer. Eines Tages findet er weißes Pulver im Briefkasten. Und dann bemerkt er, dass mitten im Winter die Heizung im Pfarrhaus heruntergedreht wurde. Jemand muss Zugang zu seinem Haus haben. Da bekommt er es mit der Angst zu tun.
Sicher, es ist nur eine kleine Minderheit, die den Pfarrer beleidigt oder gar bedroht. Ohnehin ist er bestens integriert: Er liebt Schweinshaxn, trinkt gern Bier, sein Deutsch ist perfekt. Er bekommt viel Zuspruch aus seiner Gemeinde. Doch wenn es mal so weit ist, dass man um sein Leben fürchten muss, gibt es nur noch eines: Weg hier! Wenn euch aber die Leute nicht aufnehmen, sagt Jesus, dann geht weg aus jener Stadt. Vor genau zwei Jahren, am 6. März 2016, verlässt Ndjimbi-Tshiende Zorneding. Die Ereignisse haben aus ihm aber einen anderen Mann gemacht. Er geht nicht mehr unbeschwert auf die Straße, schaut immer, wer hinter ihm geht. Manchmal hat er Angstzustände.
Und noch etwas hat sich geändert. Der heute 68-Jährige blickt jetzt anders auf seine Kirche. Kritischer. Der Priester spricht von einem Anstoß. „Das waren meistens Katholiken“, sagt er über die, die ihn in Zorneding offen angefeindet haben. Fazit: Irgendwas muss da in der Kirche schiefgelaufen sein. „Statt den Akzent auf die Liebe zu setzen, haben wir ihn auf den Besuch des Gottesdienstes gesetzt“, sagt der Mann Gottes heute. „Statt einer Bruderschaft haben wir einen starken Machtapparat.“ Jetzt ist er für Frauen im Priesteramt und gegen den Zölibat.
Inzwischen gehe es ihm ganz gut, sagt Ndjimbi-Tshiende. Er arbeitet nun an der Katholischen Universität in Eichstätt. Das ist zwar auch in Bayern, aber hier habe er etwas Abstand gewinnen können. Und als habilitierter Moralphilosoph genieße er es, mal wieder in der Forschung zu arbeiten. Sein Thema: Flucht und Migration.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr