Rücktritt des Wirtschaftsministers: Der Glos im Hals
Parteiboss Horst Seehofer wollte seinen gefrusteten Minister in Berlin erst nicht ziehen lassen. Das hatte nichts mit Verbundenheit zu tun.
Am Abend, nachdem er die Union in die Krise gestürzt hatte, ging Michael Glos tanzen. Als Bundeswirtschaftsminister erschien er beim Ball des Sports in Wiesbaden. Glos, 64, weiße Haare, schwarze Fliege, sagte kaum etwas und lächelte angespannt in die Kameras. Es war eigentlich wie immer.
"Sehr geehrter Herr Parteivorsitzender, lieber Horst,
vor uns liegen zwei schwierige Wahlkämpfe. Ich werde mich voll dafür engagieren, dass wir unsere Wahlziele erreichen und Angela Merkel weiterhin unser Land erfolgreich regieren kann. Ohne eine erfolgreiche CSU kann dies nicht selbstverständlich gelingen.
Zudem ist eine starke CSU Garant für die Vertretung der speziellen bayerischen Interessen im Bund und in Europa. Die Erfahrungen der Landtagswahl, aber auch das Echo der Wähler seither zeigen, dass Erneuerung, Gestaltungskraft und Glaubwürdigkeit mehr denn je gefragt sind. Zur Glaubwürdigkeit gehört auch, vor der Wahl genau zu wissen, welche Personen nach der Wahl für führende Ämter zur Verfügung stehen.
Da ich in diesem Jahr mein 65. Lebensjahr vollende, entspricht es meiner Lebensplanung, nach dem 28. September keinem Kabinett mehr anzugehören. Die Arbeit als Bundesminister für Wirtschaft und Technologie ist der Höhepunkt meines politischen Lebens, und ich bin dankbar, dass ich die Weichen stellen konnte. Vor allen Dingen war es mir wichtig, in der Finanz- und Wirtschaftskrise wirkungsvolle Maßnahmen, die auch meine Handschrift tragen, rasch durch- und umzusetzen.
Mir liegt vor allen Dingen der Mittelstand am Herzen, und ich hoffe, dass unsere Maßnahmen auch ganz besonders dort Wirkung zeigen. Als Mitglied des Bundestages werde ich mich weiterhin diesen Fragen stellen.
Bereits vor dem großen Neuanfang in der Bayerischen Staatsregierung und an der Parteispitze hatte ich dir angeboten, auch über mein Ministeramt disponieren zu können. Ich bitte dich, mich von meinen Ministerpflichten zu entbinden.
Mit freundlichem Gruß
Dein Michael Glos" Quelle: AP
Wäre da nicht dieser Brief gewesen. Glos hatte ihn am Samstag an den CSU-Chef Horst Seehofer geschickt (siehe Kasten). Das Rücktrittsgesuch war auch ein direkter Angriff. Die Bild am Sonntag bekam eine Kopie.
Seehofer reagierte entsprechend schroff. "Ich habe Michael Glos in einem Telefonat mitgeteilt, dass ich dieser Bitte nicht entspreche", sagte er. Der Brief sei mit niemandem abgesprochen gewesen, heißt es am Sonntag aus Parteikreisen. Bei Glos habe sich in den vergangenen Tagen viel Ärger auf Seehofer und Merkel angestaut. Es ist ein Moment, in dem die Krise der CSU so offen ans Licht kommt wie selten. Die Umfragen sehen die Partei weiter fernab der so wichtigen 50-Prozent-Marke. Bei der Europawahl droht gar das Scheitern an der 5-Prozent-Hürde, zumal sich am Wochenende auch die Basis des CSU-Angstgegners, der Freien Wähler, für eine Kandidatur bei der Europawahl entschieden hat. Und der wichtigste Vertreter der CSU in Berlin, der Wirtschaftsminister, ist seines Amtes müde. Trotz der Ernennung des CSU-Generalsekretärs Karl-Theodor zu Guttenberg zum neuen Wirtschaftsminister, bleibt ein schaler Beigeschmack: In der CSU gibt es niemanden, der Michael Glos' Posten ausfüllen könnte. Der Partei fehlt ein ausgewiesener Wirtschaftsfachmann mit Format.
Das war nicht immer so. Nach der Bundestagswahl 2005 war der damalige CSU-Chef Edmund Stoiber auf dem Gipfel seiner Macht und drängte mit aller Kraft nach Berlin. Er sicherte sich das Amt des Wirtschaftsministers und reklamierte für sich alle Zuständigkeiten, die er kriegen konnte. Im kleinen Kreis bezeichnete sich Stoiber damals ganz bescheiden als "zweiter Ludwig Erhard". Nach seinem Rückzug aus Berlin begann die Macht der CSU zu bröckeln. In seinem grenzenlosen Machtanspruch hatte Stoiber niemanden emporkommen lassen, der das übergroße Loch hätte füllen können, das er in Berlin hinterlassen hatte. So musste Glos einspringen.
Selten fühlte sich ein Minister so unwohl mit seinem Amt. "Ich habe mich nie nach einem Ministeramt gedrängt", sagte er und plante schon früh seinen Ausstieg aus der Regierung. In Berlin wurde spekuliert, Glos liebäugle mit einem ruhigen Posten als Bundestagsvizepräsident.
Das war im Sommer 2008 - vor dem CSU-Debakel bei der bayerischen Landtagswahl. Seitdem ist Horst Seehofer an der Macht. Er will, dass die CSU im Eilverfahren moderner und offener wird, ihr Personal kompetenter, jünger und charismatischer. So will Seehofer Wähler und den Einfluss der Partei in Berlin zurückgewinnen. Personalentscheidungen trifft der neue CSU-Chef im Alleingang, mit wenig Rücksicht auf Befindlichkeiten seiner eigenen Partei. Den von der Landtagsabgeordneten gewählten Fraktionschef in Bayern, Georg Schmid, wollte er schon wenige Tage später absetzen und in seinem Kabinett an die kurze Leine nehmen. Schmidt wehrte sich erfolgreich. Seehofer hatte für das Manöver nicht den nötigen Rückhalt in der Partei.
Dort herrscht seit Jahren ein strenges Proporzdenken. Oberpfälzer, Niederbayern, Mittelständler, Bauern - alle bayerischen Volksgruppen und Schichten müssen mit Posten bedient werden. Bei der Europawahl installierte Seehofer die Franz-Josef-Strauß-Tochter Monika Hohlmeier aus Oberbayern als Spitzenkandidatin für den Bezirk Oberfranken. Die Basis quittierte es mit Parteiaustritten. Der gelernte Müller Michael Glos war der einzige gewichtige Vertreter des Bezirks Unterfranken. Ohne ihn wird das fragile Machtgleichgewicht der Partei weiter geschädigt.
Glos stellte sein Ministeramt schon kurz nach Seehofers Amtsantritt zur Verfügung. Doch Seehofer hielt an ihm fest. Freundschaftlich war das Verhältnis zwischen beiden dennoch nicht. Glos stellte öffentlich Forderungen zur Steuerentlastung, die mit Seehofer nicht abgesprochen waren. Die Parteizentrale war ungehalten und rief ihren Bundesminister schroff zur Ordnung.
Dennoch brauchte Parteichef Seehofer seinen müden Minister in Berlin. Doch nun kommt der frische Freiherr zu Guttenberg. Es bleibt abzuwarten ob die CSU und die große Koalition in Berlin mit dieser Neubesetzung gut beraten ist und nicht zuletzt der neue Wirtschaftsminister in seinem neuen Amt glücklicher wird, als Michael Glos es war.
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