Rücknahme afghanischer Flüchtlinge: EU erwägt Hilfsentzug für Kabul
Die EU will über 80.000 afghanische Flüchtlinge an den Hindukusch zurückschicken. Mittels Drohung will sie die Regierung in Kabul gefügig machen.
Das Papier (pdf-Datei) wurde jetzt von der Bürgerrechtsorganisation Statewatch veröffentlicht. In dem Papier wird angedacht, ein 2015 von der EU und Afghanistan paraphiertes, also noch nicht rechtskräftiges, Kooperationsrahmenabkommen als „Hebel“ zu nutzen, um die in dem Dokument als „schwierig“ bezeichnete Regierung von Präsident Aschraf Ghani unter Druck zu setzen.
Diese weigert sich bisher, aus der EU Zwangsabgeschobene aufzunehmen. Ende Februar trafen die ersten 125 als „Freiwillige“ bezeichneten afghanischen Rückkehrer aus Deutschland in Kabul ein.
Das Kooperationsabkommen ist für die von Ghani ausgerufene „Transformationsdekade“ bis 2024 ausgelegt. In dem Zeitrahmen will er das Land wirtschaftlich auf eigene Beine stellen will.
Regierung von Ashraf Ghani gilt als „schwierig“
Dafür haben die EU-Staaten bis 2020 bisher 1,4 Milliarden Euro zugesagt. Aber die konkrete Bereitstellung hängt von der Erfüllung von Reformzusagen ab, die Afghanistan 2012 mit allen Geberländern vereinbart hat. Die Kriterien dafür sind bisher eher weich gehandhabt worden. Doch das könnte sich nun ändern.
Das öffentlich gewordene EU-Papier bezieht sich auf eine weitere Afghanistan-Geberkonferenz im kommenden Oktober in Brüssel. Dort sollen Gelder für die Jahre 2017 bis 2020 konkretisiert werden.
Entwicklungshilfe macht etwa 40 Prozent des afghanischen Bruttoinlandprodukts aus. Deshalb wird in dem Papier auch gewarnt, die Umsetzung der Drohungen könne „im Zusammenbruch des fragilen Staates“ enden.
Angst vor Zusammenbruch
Das würde nicht nur die Aufwendungen des Westens der letzten 15 Jahre in Afghanistan in Frage stellen, sondern auch das Narrativ des angeblichen Erfolges dort. Dann würden noch mehr Afghanen fliehen. Zudem dürften die USA noch ein Wort mitreden, bevor Afghanistan von der EU fallen gelassen wird.
In dem Papier wird auch die Debatte um sogenannte „sichere Zonen“ in Afghanistan aufgegriffen, in die nach Ansicht verschiedener Regierungen Abschiebungen erfolgen können. Diese müssten gemeinsam definiert werden, obwohl sie „angesichts der steigenden Unsicherheit in vielen Provinzen nicht offensichtlich“ seien.
Als Gegenleistung für Zwangsrückführungen sollen der afghanischen Seite unter anderem Erasmus- und andere Stipendienprogramme für afghanische Studenten und Wissenschaftler angeboten werden.
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