Kommentar von Karim El-Gawhary zur Rückkehr Syriens in die Arabische Liga
: Neue arabische Realpolitik

Der Mann, der 2011 auf friedliche Demonstranten schießen ließ und der, um an der Macht zu bleiben, einen Bürgerkrieg mit fast einer halben Million Toten und mehr als 13 Millionen Vertriebenen in Kauf nahm, dieser Baschar al-Assad wird wieder in die arabische Autokratenfamilie aufgenommen.

Am Wochenende haben die Außenminister der Arabischen Liga beschlossen, die syrische Mitgliedschaft wieder zu aktivieren. Es ist ein Meilenstein. Der Paria Assad ist in der Region wieder salonfähig. Diese Entwicklung hatte sich in den letzten Monaten bereits angedeutet. Assad nutzte nach dem verheerenden Erdbeben im Februar die Gunst der Stunde, um für eine Normalisierung seines Regimes zu werben – mit Erfolg. Nicht etwa, weil er auf dem Weg zu einem humaneren Umgang mit seiner Bevölkerung wäre, die er massakrieren, mit Chemiewaffen angreifen und zu Tausenden in seinen Folterkellern verschwinden ließ. Und auch nicht, weil plötzlich Millionen Flüchtlinge nach Syrien zurückkehrten, im Vertrauen, nicht weggesperrt zu werden. Der Grund ist ein anderer: Die Idee, Assad international so lange zu isolieren, bis eine Alternative zu ihm aufgebaut wird, ist gescheitert.

Insofern ist der Schritt der Arabischen Liga zynisch, aber zugleich pragmatisch. Die Golfstaaten hoffen, mit ihrem Geld Einfluss auf das syrische Innenleben zu nehmen. Denn ökonomisch steht das Regime Assads auf tönernen Füßen. Sicher spielt auch die Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien eine Rolle. Jetzt können beide Länder ihre Einflusssphären in Syrien direkt miteinander aushandeln.

Es ist brutale Realpolitik, einen brutalen Diktator wieder aufzunehmen. Aber es ist auch das Ergebnis einer international nicht vorhandenen Syrienpolitik. Die Anti-Assad-Phalanx bricht an ihrer schwächsten Stelle, bei den arabischen Staaten, weil diese zwölf Jahre lang auf die Ausarbeitung eines internationalen Fahrplans gehofft hatten, eine Alternative zu Assad zu finden.

Die arabischen Staaten warten nun nicht mehr auf den Westen, der über ein Jahrzehnt tatenlos zugesehen hat, während international Stillstand herrscht, weil Assads Verbündeter Russland im UN-Sicherheitsrat in Sachen Syrien alles blockiert. Die arabischen Staaten machen jetzt ihre eigene Regionalpolitik, sei es die Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien, sei es die Befriedung des Jemen – bleibt abzuwarten, wie sich die Dinge im Sudan entwickeln.

Dass die arabischen Autokraten nun eigenständig die Probleme der Region lösen wollen, heißt nicht, dass ihre Politik besser wird als die bisherige vom Westen und vor allem von den USA beeinflusste. Schließlich ist eins ihrer Motive der kollektive autokratische Machterhalt. Aber ein Argument haben sie auf jeden Fall: Anders als die USA und Europa haben die arabischen Staaten jetzt wenigstens eine Syrienpolitik.