Rückkauf der Berliner Wasserbetriebe: Privatisierung wird verwässert
RWE ist sich mit dem Land über einen Verkauf einig. Finanzsenator: "Wir prüfen noch." Initiative Wassertisch fordert Abgeordnete auf, Kauf nicht zuzustimmen.
Berlin ist kurz davor, einen Teil der Berliner Wasserbetriebe zurückzukaufen. Wie Rolf Pohlig mitteilte, Finanzvorstand des Nocheigentümers RWE, gebe es einen unterschriftsreifen Vertrag mit dem Land, der nur noch abgesegnet werden müsse. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) erklärte am Donnerstag im Abgeordnetenhaus, der Vertragsentwurf werde derzeit geprüft. Zum Preis äußerten sich weder Pohlig noch der Finanzsenator. Nach Medieninformationen liegt er bei rund 620 Millionen Euro.
Die Berliner Wasserbetriebe gehörten bis 1999 komplett dem Land. Vernebelt vom weit verbreiteten Privatisierungswahn verkaufte die damalige schwarz-rote Koalition 49,9 Prozent des Versorgers je zur Hälfte an die Energiekonzerne RWE und Veolia. Die zahlten 3,3 Milliarden Mark (rund 1,7 Milliarden Euro) und erhielten im Gegenzug eine Gewinngarantie, die über Landesgesetze und private Verträge abgesichert wurde. Seither stiegen die Wasserpreise deutlich. Von den hohen Gewinnen profitieren nicht nur die beiden Unternehmen, sondern auch der Berliner Landeshaushalt. Veolia will im Gegensatz zu RWE, die sich international aus dem Geschäft mit der Wasserversorgung zurückziehen wollen, seine Anteile nicht veräußern.
Umstrittene Verträge
Die Privatisierungsverträge sind bis heute umstritten: Ein Volksentscheid 2011 erzwang ihre lückenlose Veröffentlichung, zuvor hatte die taz einen großen Teil ins Netz gestellt. Derzeit beschäftigt sich ein Sonderausschuss des Abgeordnetenhauses damit, wie die Verträge zustande kamen.
Das ist auch der Grund, warum die Initiative Berliner Wassertisch, die Volksbegehren und -entscheid maßgeblich vorangetrieben hatte, die Abgeordneten nun auffordert, einem Kauf der RWE-Anteile nicht zuzustimmen: Nach ihrer Einschätzung war schon der Verkauf 1999 verfassungswidrig. Der Vertrag ist deswegen laut Wolfgang Rebel vom Wassertisch nichtig. Der privatisierte Teil der Wasserbetriebe würde ohnehin an das Land zurückfallen, kostenlos. Rebel ist überzeugt, dass auch die Mitglieder des parlamentarischen Sonderausschusses zu diesem Ergebnis kommen werden.
Der Zeitpunkt des Rückkaufs steht noch aus einem anderen Grund in der Kritik: Das Bundeskartellamt hat die Berliner Wasserbetriebe zuletzt mehrfach wegen um rund 20 Prozent zu hoher Preise abgemahnt, die Wasserbetriebe haben darauf nicht reagiert. Unter anderem die Grünen befürchten deswegen, dass in Kürze mit einer sogenannten Preissenkungsverfügung des Kartellamts zu rechnen ist. Dies würde den Wert des Unternehmens verringern – und damit auch einen möglichen Kaufpreis.
Woher kommt das Geld?
Unsicher ist zudem, wie das Land die RWE-Anteile finanzieren will. Finanzsenator Nußbaum erklärte im Abgeordnetenhaus, dass der Landeshaushalt nicht belastet werden soll. Der Rückkauf solle aus künftigen Erträgen und dem Vermögen des Unternehmens gestemmt werden. Möglicherweise müsse es auch eine Bürgschaft des Landes geben. Wassertisch-Sprecher Rebel befürchtet hingegen, dass das Land sich gar nicht den ganzen Anteil von 24,95 Prozent leisten könne – und einen Teil davon an Veolia weitergeben würde.
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