Ruandas letzter König: Eine suspekte Nostalgie
Der verstorbene letzte König von Ruanda, seit 1961 im Exil, wird am Sonntag in seiner Heimat beigesetzt. Kann es einen legitimen Nachfolger geben?
Seit seine sterblichen Überreste am 9. Januar per Flugzeug in Ruandas Hauptstadt Kigali landeten, wird über sein Vermächtnis kontrovers diskutiert.
Denn das Ende von Ruandas jahrhundertealter Monarchie in der „sozialen Revolution“ von 1959, die zur Gründung der unabhängigen Republik Ruanda 1962 führte, markierte zugleich den Beginn der systematischen Diskriminierung, Vertreibung und Ermordung von Tutsi durch die Hutu-Staatsmacht, die 1994 schließlich im organisierten Völkermord gipfelte. Tutsi galten damals als fremde Eroberer, Hutu als das eigentliche ruandische Volk – obwohl beide Bezeichnungen lediglich für unterschiedliche soziale Schichten im vorkolonialen Ruanda stehen.
Seit 1994 regiert in Ruanda die „Ruandische Patriotische Front“ (RPF), die als bewaffnete Bewegung der ab 1959 ins Exil getriebenen Tutsi entstanden war. Sie stellte aber nicht die Tutsi-Monarchie wieder her, sondern rief ein „neues Ruanda“ ohne Hutu- und Tutsi-Identitäten aus.
Ruandas Präsident Paul Kagame gehört zu einem Clan, der früher mit dem des Königs verfeindet war. Manche ruandischen Tutsi-Monarchisten verbündeten sich lieber im Exil mit der radikalen Hutu-Diaspora, geeint durch die Betonung ihrer jeweiligen Hutu- und Tutsi-Identität, als sich mit Kagame zu identifizieren.
Ein „ephemerer“ Monarch
So kann die Regierung nun mit der Trauer um den Exilkönig nicht viel anfangen. Die staatsnahe Tageszeitung New Times betont, der Verstorbene werde „privat“ beigesetzt – nicht mit einem Staatsbegräbnis.
Ruanda, so schreibt die Internetzeitung Igihe, beerdige jetzt einen „ephemeren“ Monarchen, „der zu Lebzeiten nie nach Hause kommen wollte und damit dem jetzigen republikanischen Staatschef Paul Kagame, dessen politische Agenda im Gegensatz zur alten konservativen Glaubenswelt der Ruander steht, die Macht streitig macht.“
Auf besonderes Befremden stößt, dass „die Kanzlei und der königliche Hof des De-jure-Königreichs Ruanda“ am Tag der Überführung von Kigeli V. nach Ruanda auf der Webseite der in den USA ansässigen Kigeli-Stiftung einen Nachfolger verkündete.
Brite wird zum neuen König ernannt
Der neue König ist demnach ein Neffe des alten: der 56-jährige Emmanuel Bushayija, der einst in Uganda für Pepsi-Cola arbeitete, 1994 wie viele Exiltutsi nach Ruanda zurückkehrte und 2000, als Kagame Präsident wurde, wieder ins Exil ging – nach Großbritannien, wo er eingebürgert wurde und eine Sicherheitsfirma gründete.
Er soll nun Yuhi VI. heißen – Ruandas Könige tragen im Wechsel immer einen von vier Namen. Kigeli V. habe ihn 2006 persönlich als Nachfolger auserkoren, heißt es in der Erklärung.
Aber aus Sicht des ruandischen Staates ist jeder Ruander, der sich weigert, aus dem Exil zurückzukehren, politisch suspekt. Igihe nennt die Berufung ein „Nichtereignis“, das von „Vergangenheitsnostalgie“ zeuge.
Bemängelt wird auch, dass die Nachfolge nicht, wie früher, bei der Trauerfeier des Verstorbenen vom Hof ausgerufen worden ist, sondern per Presseerklärung im Internet von einem Sekretär. Damit sei sie ungültig, zumal ein König nur im Land selbst ernannt werden könne. Andere weisen darauf hin, dass in Ruanda gar kein neuer König zu bestimmen sei – das Land ist schließlich eine Republik.
Schon die Frage, ob der Verstorbene überhaupt nach Ruanda überführt werden sollte, spaltete die Familie. Es dauerte Monate, um sie zu klären. Sie wurde schließlich vor Gericht ausgetragen und im Sinne der in Ruanda lebenden Angehörigen geklärt, die als regierungstreuer gelten als die im Exil. Mit der Berufung von Yuhi VI. hat ein Teil des Exilflügels nun zurückgeschlagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin