Rotes Tuch für CDU: Warnsignale an die Koalition
Der neue SPD-Chef Jan Stöß stellt im Konflikt um eine Teilausschreibung der S-Bahn den Koalitionsvertrag mit der CDU in Frage. Am Mittwoch trifft er Frank Henkel.
Eine mögliche Teilausschreibung der S-Bahn könnte nicht nur für die SPD zur Zerreißprobe werden, sondern auch für den rot-schwarzen Senat. „Ich kann mit der S-Bahn GmbH besser leben als mit privaten Anbietern“, sagte der neue Landeschef der SPD, Jan Stöß, der taz.
Damit bekräftigte Stöß seine ablehnende Haltung gegenüber einer Ausschreibung der Ringbahn, wie sie Verkehrssenator Michael Müller (SPD) und die CDU befürworten. Stöß und die SPD-Linke wollen dagegen eine Ausschreibung des gesamten Netzes – bei der die S-Bahn nach Ablauf des Vertrages 2017 wohl erneut den Zuschlag bekommen würde.
Derzeit prüft der wissenshaftliche Dienst des Abgeordnetenhauses die Rechtmäßigkeit einer solchen Gesamtvergabe. Allerdings bezweifeln Experten, dass diese mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar wäre. Sollte das Gutachten diese Position bekräftigen, sieht der Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU unmissverständlich eine Teilausschreibung vor. Von einer direkten Vergabe des S-Bahn-Betriebs an die BVG oder an ein neu zu gründendes kommunales Unternehmen ist im Koalitionsvertrag keine Rede. Auch Stöß glaubt offenbar nicht mehr an eine solche Lösung: „Ob man das auch in kommunaler Regie machen kann“, bedauert er, „ist nie richtig durchgerechnet worden.“
Kein Zurückrudern
Gegenüber der taz räumte Stöß ein, dass seine Position mit der des Koalitionsvertrags unvereinbar sei. An ein Zurückrudern denkt er aber offenbar nicht. Stattdessen gibt er den Ball an die mitregierende CDU weiter: „Ich bin skeptisch, ob die CDU überhaupt der Auffassung ist, dass es bei der S-Bahn viele private Betreiber geben soll“, so Stöß. „Mein Eindruck ist, dass beide Regierungsparteien eine solche Situation schwierig fänden.“ Bereits am Mittwoch will Stöß mit CDU-Chef Henkel über das Thema reden. Dann findet das erste Spitzentreffen der beiden Landeschefs statt.
Eine Drohkulisse hat Stöß, der beim SPD-Parteitag am 9. Juni Michael Müller als Landesvorsitzenden ablöste, bereits aufgebaut. Über die Teilprivatisierung, heißt es bei der SPD-Linken, entscheide nicht nur der Senat, sondern auch das Abgeordnetenhaus. In der SPD-Fraktion, die mit Raed Saleh ebenfalls von einem SPD-Linken angeführt wird, sind die Befürworter einer erneuten Gesamtvergabe an die S-Bahn-GmbH in der Mehrheit. Dass die S-Bahn auch am Wochenende wieder zahlreiche Ausfälle hatte, spielt keine Rolle.
Von einem Bruch mit der CDU will Jan Stöß allerdings nichts wissen. „In Berlin wird es keine Neuwahlen geben“, schloss er ein vorzeitiges Ende von Rot-Schwarz aus. Stöß' Begründung: „Bisher macht dieser Senat doch eine ordentliche sozialdemokratische Politik.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück