Rot-grün-rot in Bremen: Das Wagnis beginnt
Auch die Basis der Linkspartei ist mit großer Mehrheit für eine rot-grün-rote Landesregierung in Bremen. Eine Nagelprobe werden die Etat-Beratungen.
266 Mitglieder der Linkspartei votierten für, 67 gegen ein rot-grün-rotes Bündnis. Das entspricht einer Mehrheit von 78,5 Prozent, bei einer Wahlbeteiligung von rund 60 Prozent. Angenommen hat die Linkspartei den Koalitionsvertrag bereits auf einem Parteitag: Nach vierstündiger Debatte sprachen sich fast drei Viertel der Delegierten für ihn aus.
Damit kann die SPD weiter den Bürgermeister stellen, obwohl sie bei der Landtagswahl acht Prozentpunkte verlor, das schlechteste Wahlergebnis seit über 70 Jahren einfuhr – und die CDU mit 26,7 Prozent nun die stärkste Kraft im Landesparlament ist.
Entschieden haben das die Grünen: Sie sondierten nach der Wahl zwar auch eine Jamaika-Koalition ernsthaft, entschieden sich aber mit großer Mehrheit für eine Fortsetzung der seit 2007 bestehenden Regierung mit den Sozialdemokraten, nun ergänzt um die Linkspartei. Das Rot-Grün allein keine Mehrheit mehr bekommen würde, war schon vor der Wahl klar.
Bremens neue Landesregierung hat einen Senator mehr als die alte rot-grüne – der Macht-Arithmetik wegen.
Die SPD stellt den Bürgermeister Andreas Bovenschulte, der auch Kultursenator ist. Innensenator Ulrich Mäurer und Bildungsenatorin Claudia Bogedan bleiben im Amt, hinzu kommt Claudia Schilling aus Bremerhaven, die für Häfen, Wissenschaft und Justiz zuständig ist.
Die Grünen haben wie bisher drei SenatorInnen: Sozialsenatorin Anja Stahmann bleibt, die Spitzenkandidatin Maike Schaefer wird Bau- und Umweltsenatorin. Die innerparteilich abgewählte Finanzsenatorin Karoline Linnert wird durch ihren langjährigen Staatsrat Dietmar Strehl ersetzt.
Die Linken bekommen zwei Ministerposten – Spitzenkandidatin Kristina Vogt übernimmt das Ressort für Wirtschaft und Arbeit, Claudia Bernhard jenes für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz.
Zum einen ist die programmatische Übereinstimmung von Rot-Grün-Rot deutlich größer als jene zwischen Grünen, CDU und FDP. Zum anderen ist die grüne Basis in Bremen schon lange mehrheitlich für ein Mitte-Links-Bündnis. Und an der grünen Parteispitze fehlte „das Vertrauen“ in die örtliche FDP – vor allem beim Klimaschutz, wie Spitzenkandidatin Maike Schaefer ihrer Partei erklärte. An persönlicher Sympathie für Bremens Liberale fehlt es bei vielen Grünen allerdings auch. Gescheitert ist eine Jamaika-Koalition weniger an CDU und Grünen als an der FDP.
Die CDU, die sich als Wahlsieger sieht, hofft nun auf die nächste Landtagswahl. Ihr Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder, als IT-Unternehmer ein Politikneuling, erhielt bei der Wahl mehr Personenstimmen als der amtierende SPD-Bürgermeister Carsten Sieling. Der wiederum trat nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen zurück, und Carsten Meyer-Heder ist nun neuer CDU-Landeschef.
SPD, Grüne und Linke machen in ihrem rund 140-seitigen Koalitionsvertrag viele Versprechungen, vermeiden aber Festlegungen, vor allem bei der Verteilung der Gelder. Auch die zehnteilige „Prioritätenliste“ des Koalitionsvertrages bleibt vage. Deswegen gehen alle Beteiligten davon aus, dass die anstehenden Haushaltsberatungen zu „zweiten Koalitionsverhandlungen“ werden, wie der grüne Landesvorsitzende Hermann Kuhn sagte. Nach der Haushaltssanierung der vergangenen zwölf Jahre – Bremens Schuldenuhr läuft jetzt rückwärts – ist dabei ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag zusätzlich zu verteilen.
Unter Rot-Grün-Rot soll das Klimaschutzabkommen von Paris die „Grundlage des Handelns dieser Koalition in allen Politikbereichen“ werden, wie es in der Präambel heißt. In der vergangenen Legislaturperiode verfehlte der rot-grüne Senat indes seine eigenen Klimaziele – deutlich. Nun soll der örtliche Energieversorger bis 2023 aus der Kohleverstromung aussteigen, und die Bremer Innenstadt soll bis 2030 autofrei werden. Eine radikale Reform des Nahverkehrs wird indes nur geprüft.
Dafür sollen Schulen und Kindertagesstätten neu- und ausgebaut werden, dazu mehr Personal bekommen, gerade in den benachteiligten Quartieren. Zugesagt sind auch mehr PolizistInnen, RichterInnen und StaatsanwältInnen sowie 10.000 neue Wohnungen „für alle Zielgruppen“. Kinder und Jugendliche sollen billiger ins Freibad kommen und kostenlos Bus- und Bahn fahren können, wenn sie aus prekären Verhältnissen stammen. Gestrichen wird das 180 Millionen Euro teure Offshore-Windenergieterminal in Bremerhaven.
Für ihre Regierungsbeteiligung muss die Linkspartei die jahrelang bekämpfte, aber in der Verfassung verankerte Schuldenbremse nun verteidigen. Dafür bekommt sie das im Ländervergleich „bürgerrechtsfreundlichste Polizeigesetz“, wie Spitzenkandidatin Kristina Vogt sagt, außerdem einen Fonds, der zu mehr Ausbildungsplätzen führen soll und „das bundesweit erste Legalisierungsprogramm für Papierlose“.
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