Rot-Weiß Oberhausen sucht den Neuanfang: St. Pauli des Ruhrgebiets
Regionalliga Revisited (1): Der abgestürzte Traditionsclub Rot-Weiß Oberhausen hofft, sich auf Dauer im bezahlten Fußball zu etablieren. Helfen soll ein neues Image.
Der alte Gasometer zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Vieles, was sich im Schatten des 120 Meter großen Industriedenkmals befindet, verschwindet dahinter. Selbst die markanten Flutlichtmasten des Oberhausener Niederrheinstadions fallen kaum auf. Kaum jemand der Reisenden, die täglich den Emscherschnellweg benutzen, dürfte wissen, dass hier ein Traditionsclub des Ruhrgebiets residiert. Dabei ist Regionalligist Rot-Weiß Oberhausen auf dem besten Wege, die Qualifikation für die neue Dritte Liga zu schaffen. Sogar der Aufstieg in die zweite Bundesliga scheint möglich.
Vor der Saison hatte niemand die Kleeblätter auf der Rechnung. Die Favoriten kamen aus Essen, Düsseldorf, Braunschweig oder Dresden. Doch ein mickriger Punkt Rückstand zu den Aufstiegsplätzen bei noch sieben Spielen weckt am Nordwestrand des Ruhrpotts Begehrlichkeiten. "Wir wollen uns in der Regionalliga etablieren", sagt Geschäftsführer Gerd Kehrberg, "aber wir nehmen auch gerne mehr mit."
Vor zwei Jahren stand RWO noch vor dem Ruin. Zwei Abstiege in Folge hatten nicht nur die sportliche Basis zerstört. Der Vorstand hinterließ ein selbst für die krisenerprobten Oberhausener nicht gekanntes Chaos. "Wir konnten in der Geschäftsstelle keine Schublade öffnen, ohne dass sich darin eine Überraschung verbarg", sagt Präsident Hajo Sommers. Unbezahlte Rechnungen, Vollstreckungsbescheide - mehr als 30 Verfahren waren anhängig. Ein Neuanfang in der Kreisliga stand im Raum. "Letztendlich haben wir uns dagegen entschieden", sagt Sommers, damals noch Aufsichtsrat. Die aufgelaufenen Altlasten wurden dadurch übernommen.
Als Betreiber der Oberhausener Kleinkunstbühne Ebertbad stand Sommers selbst mehrfach vor der Pleite. Vor zwei Jahren ließ er im Stück "Ganz oder gar nicht" gemeinsam mit seinen Schauspielkollegen "die Hosen runter". Der Männer-Strip avancierte zum Publikumsrenner und wurde später unter anderem auch im Schmidt-Theater aufgeführt. Dessen Besitzer ist Sommers Amtskollege, St.-Pauli-Präsident Conny Littmann.
"Wir wollen RWO als den etwas anderen Club im Ruhrgebiet etablieren", sagt Sommers. Er lebt es vor: Jeansjacke, T-Shirt und die Selbstgedrehte im Mundwinkel. Der lange, schlanke Mittvierziger ist kein typischer Präsident. Zum Auswärtsspiel bei Fortuna Düsseldorf vor zwei Wochen lud Sommers die Sponsoren ein: Mit Gelenkbussen der Verkehrsbetriebe ging es in die Landeshauptstadt. Statt Sekt wurde Bier serviert, die VIP-Tickets wurden gegen Tribünenkarten eingetauscht. "Die Leute sollen die Atmosphäre spüren." Er selbst mischt sich bei Heimspielen gerne mal unter die Fans.
Die Resonanz könnte dennoch besser sein. "In Oberhausen dauert es halt, ehe die Leute merken, dass guter Fußball gespielt wird", sagt Sommers. Am vergangenen Wochenende traf RWO im Spitzenspiel auf Rot-Weiß Ahlen. 5.400 Zuschauer waren dabei, als RWO ein torloses Unentschieden erkämpfte - immerhin 2.000 über dem Schnitt. In Essen, Düsseldorf oder Dresden wären es vermutlich drei- oder viermal so viele gewesen. Die Zurückhaltung ist aber nicht neu. Das letzte Heimspiel in der vierjährigen Oberhausener Bundesliga-Geschichte gegen Kickers Offenbach wollten am 9. Juni 1973 nur 900 Zahlungswillige sehen. Die 218.000-Einwohner-Stadt an Emscher und Rhein-Herne-Kanal ist keine Fußballmetropole. Allein 3.000 Oberhausener besitzen eine Dauerkarte auf Schalke.
Immerhin bleiben die Spieler treu. Etliche haben das Fußballspielen in Oberhausen gelernt. Der sportliche Leiter Jürgen Luginger glaubt, dass die Identifikation auch der Schlüssel zum aktuellen Erfolg ist. "Viele Teams sind namentlich besser besetzt als wir. Wie müssen mit Teamgeist dagegenhalten." Zur kommenden Saison wird Exprofi Luginger den aktuellen Trainer Hans-Günter Bruns ablösen. Der ehemalige Nationalspieler wird sich dann auf den Posten des Sportdirektors zurückziehen.
"Die finanzielle Lage wird sich nur langfristig entspannen", sagt Aufsichtsrat Thomas Dietz. Die Verantwortlichen gehen offensiv mit der Situation um: "Wir sagen allen Spielern, wie es um den Verein bestellt ist." Die dabeibleiben, wissen: Es geht nicht nur um ihre Zukunft, sondern auch um die Zukunft von RWO.
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