Rot-Rot in Brandenburg und Berlin: Wir halten, was wir versprechen (II.)
Wie geht es weiter mit Rot-Rot? In Brandenburg hilft die SPD der Linken nach den jüngsten Stasi-Fällen bei der Vergangenheitsbewältigung.
Das Versprechen ist eindeutig: "Eine Verklärung der SED-Diktatur wird es mit dieser Koalition nicht geben." So erklären es SPD und Linke in Brandenburg in ihrem 55-seitigen Koalitionsvertrag. Und nun das: Erst wird die IM-Tätigkeit des Linke-Abgeordneten Gerd-Rüdiger Hoffmann bekannt, dann tauchen neue Stasi-Akten im Fall der linken Landtags-Vizepräsidentin Gerlinde Stobrawa auf. Ist die Koalition in Potsdam zu Ende, bevor Ministerpräsident Matthias Platzeck sein "Projekt der Versöhnung" beginnen konnte?
"Gemeinsam sind wir stark" lautet der Gedanke eines Antrags auf dem Berliner Linke-Parteitag, in dem eine Vertiefung der Zusammenarbeit der beiden rot-rot geführten Länder gefordert wird.
Die wichtigsten Konflikte aber sind ausgeklammert. In der Europapolitik stehen beide Länder zwar hinter der Oderpartnerschaft mit Polen. Während Berlin die Zusammenarbeit mit Stettin, Posen und Breslau ausbauen will, ist Brandenburg vor allem an der Kooperation mit der benachbarten Woiwodschaft Lubuskie gelegen.
Und das Thema Energiepolitik? Der Streit um die Braunkohle wird nicht einmal erwähnt. (wera)
SPD-Generalsekretär Klaus Ness hat eine klare Antwort: "Die Führung des Landesverbandes der Linken kehrt nichts unter den Teppich. Wenn das so bleibt, steht die Regierung." Darüber hinaus, meint der Platzeck-Vertraute, sei der Unterscheid der beiden Stasi-Fälle gravierend.
Anders als Hoffmann, den die Linke zum Verzicht auf sein Mandat aufgefordert hat, hat Gerlinde Stobrawa, die auch Bürgermeisterin von Bad Saarow ist, eine wissentliche Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit abgestritten. Zwar war eine IM-Registrierung unter dem Deckname "Marisa" schon 1990 bekannt. Stobrawa führte dies aber auf ihre damalige Funktion als stellvertretende Vorsitzende des Rates des Bezirks Frankfurt (Oder) zurück. Darüber hinaus nahm sie an Täter-Opfer-Gesprächen teil. Eine erste Überprüfung 1991 stufte Stobrawa als "Grenzfall" ein. Ihr Mandat durfte sie behalten.
Inzwischen seien jedoch Zweifel aufgetaucht, ob Stobrawas Aussagen stimmen, sagt Linke-Landeschef Thomas Nord. Vor allem die von der Birthlerbehörde veröffentlichten Opferakten legen nahe, dass die Zusammenarbeit mit der Stasi enger war als bekannt. Mehrfach berichtet ein Stasioffizier unter Berufung auf "IM Marisa" über ein weiteres Ratsmitglied des SED-Bezirks, der den Parteisekretär als "Arsch" bezeichnet haben soll.
Stobrawa, die derzeit alle Ämter ruhen lässt, hat inzwischen den anderen Fraktionen im Landtag das Gespräch angeboten. Ein Termin mit der SPD ist für Dienstag anberaumt. Ob auch die CDU die Einladung annimmt, ist offen. Parteichefin Johanna Wanka, die am Samstag in ihrem Amt bestätigt wurde, warf Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) vor, dass Brandenburg als "Stasi-Land" wahrgenommen werde. Beobachter halten es aber nicht für ausgeschlossen, dass bei der angestrebten Überprüfung aller Abgeordneter auch Oppositionspolitiker unter Stasi-Verdacht geraten könnten.
Eine solche Überprüfung wird nach Angaben der stellvertretenden Sprecherin der Birthler-Behörde, Helvi Abs, bis zu drei Monate dauern. Dass die neuen Akten im Fall Stobrawa bereits jetzt veröffentlich wurden, gehe auf eine Presseanfrage zurück. Im Gegensatz zu SPD und Linken schließt Abs aus, dass der Stasi-Offizier die Berichte ohne Zuarbeit von Stobrawa verfasst hat.
Und was, wenn demnächst weitere Stasi-Fälle bei der Linken auftauchen? Linke-Chef Nord erklärt der taz, dass seine Partei jeden Fall genau prüfen werde. "Es besteht ja auch die Möglichkeit, dass da Politik gemacht wird." SPD-Generalsekretär Ness sieht das ähnlich, er spricht von teilweise hysterischen Reaktionen. Gleichwohl geht er davon aus, dass Gerlinde Stobrawa "nicht in ihre Ämter zurückkehren wird".
Wann Rot-Rot in Brandenburg das Regieren anfängt, ist unklar. Für die letzte Landtagssitzung des Jahres rechnet die SPD mit einem Antrag, dass alle ehemaligen IM ihr Mandat zurückgeben sollen - auch diejenigen, die nach der Wende offen mit der Vergangenheit umgegangen sind. "Dabei wurden die im Wissen um diese Vergangenheit gewählt", sagt ein SPD-Mann. "Wer so agiert, befördert keine Aufklärung, sondern die Schlussstrichmentalität in der Bevölkerung."
Die aber hat Rot-Rot im Koalitionsvertrag ausgeschlossen.
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