Rot-Rot behindert die Opposition: Senat im Bummelstreik
CDU, Grüne und FDP erhalten oft erst nach Monaten Antworten auf ihre Anfragen an den Senat. Die Abgeordneten fühlen sich wie David im Kampf gegen Goliath.
In keinem anderen Punkt sind sich die Oppositionsparteien derart einig. Der Senat, schimpfen Abgeordnete von CDU, Grünen und FDP, behandle sie wie Bittsteller. Informationen rücke Rot-Rot nur bruchstückhaft heraus. Die Parlamentarier fürchten deshalb um ihre Arbeitsfähigkeit - zum Schaden für die Politik in Berlin.
Wer in den Fraktionen nach Beispielen für Senats-Versäumnisse fragt, dem begegnen die Abgeordneten mit einem Stoßseufzer. Die Liste ihrer Beispiele ist lang, und die meisten haben damit zu tun, wie der Senat mit Großen und Kleinen Anfragen umgeht. Große Anfragen sind ein gängiges Mittel von Parlamentsfraktionen, um umfangreiche Informationen von einer Senatsverwaltung zu bekommen. Der Abgeordnetenhauspräsident nimmt die Anfrage an und leitet sie an die zuständige Verwaltung weiter. Die wiederum ist zu einer Auskunft verpflichtet. Ähnlich, nur weniger umfangreich, sind die häufiger gestellten Kleinen Anfragen. Meist zeichnen dafür einzelne Abgeordnete verantwortlich.
Ein aktuelles Beispiel liefert die Grüne Jasenka Villbrandt. Die sozialpolitische Sprecherin ihrer Fraktion hat bereits Anfang Juli 2007 eine Große Anfrage an den Senat gerichtet. Thema: "Menschen in Berlin ohne Aufenthaltserlaubnis". Auf die offizielle Antwort wartet Villbrandt bis heute. Dabei kursiert das fertige Papier bereits seit Wochen. Ein Fraktionskollege informierte sie, bereits Mitte Januar habe die zuständige Senatorin Heidi Knake-Werner (Linke) aus dem Papier zitiert. Selbst Kopien habe die Senatorin verteilt. Der taz liegt ein Exemplar vor. "Das ist wirklich die Höhe", schimpft Villbrandt. "Alle Welt bekommt die Informationen, nur die Antragstellerin nicht." Knake-Werners Sprecherin Anja Wollny sieht die Schuld nicht in ihrem Haus. "Wir haben die Anfrage bereits beantwortet. Senatskanzlei und Abgeordnetenhaus diskutieren noch über den richtigen Umgang mit dem Papier." Nach der Beantwortung geht das Schreiben nicht direkt an die Abgeordneten, sondern läuft über die Senatskanzlei.
Dahinter steckt mehr als ein Bürokratieproblem. Kleine Anfragen zählen zu den wenigen Hebeln, mit denen die Opposition vom Senat Rechenschaft über dessen Handeln und Nichtstun verlangen kann. Was geschieht, wenn dieses Instrument versagt, beschreibt der stellvertretende CDU-Fraktionschef Michael Braun so: "Abgeordnete werden bei wichtigen Entscheidungen des Parlaments allein gelassen. Sie können sich kein detailliertes Bild machen." Brauns Lieblingsbeispiel: die Finanzierung der Staatsoper-Sanierung. "Ich wollte wissen, welche Ersatzstandorte geprüft wurden. Aber bis zur Abstimmung im Abgeordnetenhaus bekam ich keine Antwort."
Das Verhältnis zwischen dem Senat und den 73 Oppositionsabgeordneten ähnelt dem von David und Goliath. Parlamentarier - ausgenommen Fraktionschefs und deren Stellvertreter - haben pro Monat nur 580 Euro, um davon wissenschaftliche Mitarbeiter zu entlohnen. Ihnen gegenüber stehen acht Senatsverwaltungen mit jeweils mehreren tausend Mitarbeitern. "Man fühlt sich da manchmal ohnmächtig", sagt CDU-Vize Braun.
Da hilft es der Opposition auch nicht weiter, dass das "Gesetz über die Rechtstellung der Fraktionen" den Parlamentariergruppen im Abgeordnetenhaus großen Einfluss verspricht. In Paragraf 2 heißt es: "Ihre Chancengleichheit mit der vollziehenden Gewalt ist so weit wie möglich zu gewährleisten."
Doch der Alltag sieht anders aus. Zum Beispiel so wie bei jener Kleinen Anfrage des FDP-Abgeordneten Mirco Dragowski, die der jugendpolitische Sprecher seiner Fraktion Anfang September 2007 stellte. Unter dem Titel "Wie steht es um die Tagespflege in Berlin?" listete Dragowski fünf Fragen auf. Vier Monate später erhielt er von der Bildungs- und Wissenschaftsverwaltung die Antwort. Sie bestand aus zwei vagen Sätzen.
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