: Rot-Grün ohne Voscherau
■ Hamburg: Wer Law and order sät, erntet rechts
Die beiden Signale, die Hamburg gestern in die Republik sandte, sind deutlich. Erstens: Rot-Grün erst an der Elbe, ab März vielleicht auch im niedersächsischen Schröder-Land – und ab Herbst 98 in Bonn. Nur so geht, was alle links von der CDU so sehnlichst zu wünschen behaupten: die Ära Kohl mit dem Mantel der Geschichte bedecken.
Auch die zweite Lehre aus der Hamburger Bürgerschaftswahl darf keinesfalls überhört werden: Ein „Law and order“-Wahlkampf führt zur Abwahl derer, die ihn geführt haben, und stärkt die Rechtsradikalen. Die Überzeichnung der Jugendkriminalität, die Diskussion um „Null Toleranz“ nach New Yorker Vorbild – diese monatelange Kampagne, bei der sich SPD und CDU zu übertrumpfen versuchten, hat genau das Ergebnis gezeitigt, das die Wahlkämpfer zuvor nicht hatten absehen wollen. Stammtischparolen und die alles andere als dezidierte Abgrenzung von latenter Ausländerfeindlichkeit nützt dem Original am rechten Rand. Der drohende Einzug der rechtsextremen DVU in die Bürgerschaft macht alle demokratischen Parteien Hamburgs zu Verlierern.
Mit Henning Voscherau als Bürgermeister fuhr die seit 40 Jahren ununterbrochen regierende SPD zum zweitenmal hintereinander das jeweils schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Rund 36 Prozent sind ein Desaster. Voscheraus Rücktritt am gestrigen Abend war nur folgerichtig. Oft genug hatte er den Wählern mit Liebesentzug gedroht, wenn sie ihm kein überzeugendes Resultat bescheren würden. Oft genug hatte er von einer Schmerzgrenze fabuliert, die er nicht zu ertragen gewillt sei. Ein Minus von fast 5 Prozent und eine rechtsextreme Partei ante portas sind selbstredend Schmerz genug.
Auch die GAL muß enttäuscht sein. Unter Führung von Krista Sager wurden die 13,5 Prozent von 1993, die die GAL zum stärksten grünen Landesverband der Republik gemacht hatten, gefestigt. Die erhofften Zuwächse auf 15 oder gar 17 Prozent aber blieben Blütenträume.
Eine Alternative zu Rot-Grün in Hamburg gibt es dennoch nicht. Und ohne den Grünen-Hasser Voscherau steigen die Chancen dafür deutlich. Das ist das einzig Erfreuliche an diesem Abend. Und: Schröder muß sich gut überlegen, ob er im März in Niedersachsen auf die gleiche Karte setzt wie Voscherau. Sven-Michael Veit
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