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„Rot-Grün gerne ausgelotet“

■ Interview mit der zurückgetretenen SPD-Landesvorsitzenden Ilse Janz

Ihr Rücktritt als SPD-Landesvorsitzende hat viele überrascht. Warum sind Sie zurückgetreten?

Ilse Janz: Für mich kam das nicht so überraschend. Natürlich habe ich gleich nach der Wahl darüber nachgedacht zurückzutreten. Ich habe mir dann überlegt, das durchzustehen, weil Veränderungen dringend notwendig sind. Entscheidend war für mich die Diskussion auf dem Parteitag: Die Partei hat offenbar diesen Denkzettel nicht angenommen und nicht gemerkt, daß viel verändert werden muß.

Verändert wo?

Auch an der Basis.

Die Funktionäre der Partei laufen doch seit zwei Wochen im Büßer-Hemd herum...

Finden Sie? Oberflächlich ja, das reicht aber nicht. Für mich war deutlich, daß die Mehrheit der Partei nur einen Schuldigen sucht.

Was müßte sich ändern?

Die Ortsvereinsrituale. Ich kämpfe seit Jahren dagegen. Das sind geschlossene Türen. Jemand hat gesagt: Wenn ein junges Neumitglied eine Ortsvereinssitzung hinter sich gebracht hat und ist noch nicht wieder ausgetreten, dann hat er bzw sie die Qualifikation, sich weiter in der Partei zu beteiligen. Da gibt es keine Öffnung für Leute, die Interesse haben an der Partei oder an dem, was im Stadtteil passiert. Man kann nicht so tun, als wäre unten an der Basis alles in Ordnung.

Sind die Mitglieder mit dieser Ortsvereinsmeierei glücklich?

Das weiß ich gar nicht, aber es hat

Ein Bild aus früheren ZeitenFoto:archiv

sich sehr festgefahren. Das ist das Erschreckende.

Sie sind auch gegen die Ampel- Koalition. Hat das eine Rolle beim Rücktritt gespielt?

Ja. Die Delegierten wollten sich jetzt schon auf Ampel festlegen, obwohl in den Sondierungsgesprächen noch keine Inhalte besprochen wurden mit Grünen und FDP. Die SPD will gar nicht den Versuch machen, auszuloten, ob Rot-Grün inhaltlich ginge.

Warum sind Sie, ohne die Verhandlungen abzuwarten, gegen die Ampel-Koalition?

Weil wir die FDP in vielen Bereichen kennen. Ich komme aus dem gewerkschaftlichen Bereich, Mitbestimmung, Personalvertretungsgesetz — wenn die FDP glaubhaft gegenüber ihrer Klientel sein will, muß sie da auf Änderungen bestehen. Ich denke an das zweite Schiffsregister, an die Werftensituation, die FDP will vieles privatisieren. Das kann ich als Sozialdemokratin und als Gewerkschafterin nicht mitmachen. Ich kann mich auch noch gut an

die Debatte um das Gleichstellungsgesetz erinnern, die FDP war gegen die Quote. Ich kann die FDP-Politik vergleichen mit den Positionen, die die Grünen da vertreten haben. Auch im sozialpolitischen Bereich. Was mich auch stört: Den Grünen wird im Vergleich zur FDP wirtschaftspolitische Kompetenz abgesprochen. Aus meiner Erfahrung in der Wirtschaftsdeputation, damals war Ralf Fücks da drin, kann ich das nicht so sehen.

Sie hätten als Landesvorsitzende in der Verhandlungskommission Einfluß nehmen können...

Nein. Diese Verhandlungskommission wird ihre Ergebnisse dem Parteitag vortragen, und dieser Parteitag hat beschlossen, daß nur die Ampel-Koalition verhandelt wird. Da habe ich auch als Landesvorsitzende keine Chance, mich eindeutig für Rot-Grün durchzusetzen. Ich hätte gern erst einmal die Chance ausgelotet: Welche Chance hat Rot-Grün in Bremen? Int.: K.W.

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