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Rot-Grün bleibt in Bremen„Es gab schönere Wahlabende“

Trotz großer Verluste erreichen SPD und Grüne eine absolute Mehrheit in Bremen. FDP und AfD ziehen in die Bürgerschaft ein.

Grünen-Spitzenkandidatin Karoline Lippert ist nicht so erfreut beim Anblick der ersten Ergebnisse Bild: dpa

BREMEN dpa | Nach dem schlechtesten SPD-Ergebnis aller Bremer Bürgerschaftswahlen betreibt die Führung der Sozialdemokraten am Montag Ursachenforschung. Am Nachmittag tritt SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi in Berlin vor die Presse. Laut amtlicher Hochrechung des Landeswahlamts reichte es für SPD und Grüne am Sonntag für eine Mehrheit von 44 der insgesamt 83 Sitze in der Bürgerschaft. Bisher hatten beide zusammen eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

Feiern lassen wollen sich in Berlin am Montag die Spitzenkandidaten von CDU und Linkspartei. Die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Motschmann holte für die Union in Bremen ein im Vergleich zu 2011 leicht verbessertes Ergebnis und machte die CDU wieder zur zweitstärksten Partei.

Die größten Gewinne verzeichnete die Linkspartei mit ihrer Spitzenkandidatin Kristina Vogt. Die Linke konnte mit gut neun Prozent ihr Ergebnis der letzten Wahl 2011 fast verdoppeln. Eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei sieht der amtierende SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen nicht als Option.

FDP und AfD ziehen in die Bürgerschaft ein

Während die FDP die Rückkehr in die Bremer Bürgerschaft feiern konnte, musste die AfD nach fünf erfolgreichen Landtagswahlen in Folge bei ihrem Debüt in Bremen lange zittern und zieht knapp in die Bürgerschaft ein.

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Das vorläufige Endergebnis wird erst für Mittwoch erwartet. Nach der amtlichen Hochrechnung (Basis: 100 Prozent der Stimmzettel in Bremerhaven, 89 Prozent in Bremen) kommt die seit 1946 ununterbrochen regierende SPD nur noch auf 32,9 Prozent (2011: 38,6). Die CDU wird mit 22,6 Prozent (2011: 20,4) zweitstärkste Kraft, gefolgt von den Grünen mit 15,3 Prozent (2011: 22,5). Die Linke holt 9,2 Prozent (2011: 5,6). Mit 6,5 Prozent (2011: 2,4) schafft die FDP deutlich den Einzug in die Bürgerschaft. Der rechtskonservativen AfD gelingt dies nach der Wahlamtshochrechnung mit 5,5 Prozent, ARD und ZDF sehen sie noch knapper über der Fünf-Prozent-Hürde.

Dies ergäbe folgende Sitzverteilung: SPD 30, CDU 20, Grüne 14, Linke 8, FDP 6, AfD 4. Die rechtspopulistische Gruppierung „Bürger in Wut“ (BIW) holte wieder ein Mandat.

Niedrige Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 50 Prozent – so niedrig wie nie zuvor in einem westdeutschen Bundesland.

Böhrnsen zeigte sich überrascht von der Höhe der SPD-Verluste: „Es gab schönere Wahlabende, das ist ein bitterer für die Bremer SPD.“ Für die Grünen betonte Spitzenkandidatin Karoline Linnert: „Bremen braucht die Grünen“. Die Bremer CDU bot umgehend eine Regierungsbeteiligung an. Rot-Grün habe ein klares Signal bekommen, sagte Spitzenkandidatin Motschmann: „Ein ‚Weiter so‘ geht nicht mehr. Der Wähler will das nicht mehr.“ Die CDU hatte das kleinste Bundesland schon von 1995 bis 2007 als Juniorpartner gemeinsam mit der SPD regiert.

Ein zwischenzeitlicher Stromausfall sowie die Besonderheiten des Bremer Wahlrechts sorgten bei der Auszählung für Verzögerungen. Jeder der rund 500.000 Wahlberechtigten kann fünf Stimmen vergeben. Wegen der begrenzten Zahl an verfügbaren MitarbeiterInnen war es zudem nicht möglich, die Stimmzettel vor Ort auszuwerten.

Deutschlands kleinstes Bundesland leidet unter hoher Verschuldung, einem starken sozialen Gefälle und einer schlechten Bildungssituation.

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6 Kommentare

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  • "Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 50 Prozent – so niedrig wie nie zuvor in einem westdeutschen Bundesland."

     

    "Arme Menschen gehen nicht mehr wählen. Das belegen zahlreiche Studien. Parteien richten sich folglich an die bürgerliche Mitte".

     

    Es gibt eine falsche Entwicklung die zum Systemzusammenbruch, zumindest theoretisch, führen kann.

     

    Man muss die beiden Systeme: Kapitalismus und Sozialismus miteinander vergleichen. Warum die immer wieder in unterschiedlichen Ländern zum Zusammenbruch des ganzen Systems führen.

     

    Die Lösung liegt in dem Ausmass der Berücksichtigung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen.

     

    D.h. es muss erreicht werden, dass jeder Bevölkerungsgruppe, jedem Menschen in Deutschland VERGLEICHSWEISE (nicht gleich!) gut geht.

     

    Momentan werden eher die reicheren Bevölkerungsgruppen und Unternehmen zu stark bevorzugt. Dieser Grad, der bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen auch unterschiedlich ist, was auch richtig ist, muss etwas (nicht viel) von oben nach unten verlagert werden. Alle Bevölkerungsgruppen, auch die reichen, werden langfristig davon nur profitieren.

  • Man kann da viel kritisieren, aus je unterschiedlichen Perspektiven, auch die Leute, die nicht zur Wahl gingen, meine Kritik :

    so wenig hat die SPD-Grünen-Koalition getraut eine Politik gegen die Konservativen und Reichen durchzusetzen.

    Eine Mehrheit aus NichtwählerInnen, Linken und Rechten hat aktionslos negativ gevotet.

     

    Auf keinen Fall dürfen einem die armen Stadtteile - und Landstriche - erst einen Tag vor den Wahlen wieder einfallen.

  • Das Wahlprogramm der F** in Hamburg hieß : Dunkel , gutaussehend , schöne lange Beine . In Bremen hieß es : Jung , hübsch , blond , schöne Beine . Welche F**-mäßig stylisch-geschleckten Sprechblasen sie abgaben , die man nach einer Minute schon vergessen hat (ganz normal) , war/ist zweit- bis drittrangig . In Bremen hätte es die F** wohl nicht geschafft , wenn die Wahlbeteiligung bei 70 % und mehr gelegen hätte .

  • Es ist sehr schön hier einen Artikel zu lesen, der anders als der aktuelle mediale Maiunstream die Erfolge der FDP nicht hochstilisiert und auch die Zugewinne der Linken erwähnt. Die Wahlbeteiligung und das Wahlergebnis spiegeln aus meiner Sicht sehr gut wieder, wie wenig engagiert und inhaltsleer der Wahlkampf der etablierten Parteien (v.a. der SPD) hier in Bremen war.

  • Eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei sieht der amtierende SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen nicht als Option. (Zitat)

     

    Mit der Schuldenbremse und einer flauen Wirtschaft werden die Aussichten für SPD und CDU nicht besser. Schade ist, dass die FDP und AfD in so einer ratlosen Stimmung sich festigen können - es könnte sich bitter rächen. Anscheinend konnte die SPD den Bürger nicht mireißen und ihre Linie nicht wirklich bestätigen lassen. Das sehen sie freilich anders - die werden eben einfach so weitermachen und im Zweifel auf den Wähler schimpfen. Aber der hatte auch gute Gründe, sich so zu entscheiden. Wo sind denn die wirklichen Unterschiede zwischen SPD, CDU, Grünen (und FDP)? Wo ist der Streit mit Fakten um ein besseres Bremen?

     

    Die Grünen haben mit Minus 7,2 Prozent ordentlich für ihre komische Linie bezahlt - aber: Es wird nichts nützen. Die Partei geht vom Regen in Gorleben und dem Protest zu einer bornierten Wellness-Partei über, die radikal spricht und kaum was macht.

  • *Lach* Die Wähler haben ein deutliches Votum gegen Rot Grün gegeben. Wieviel Wert so ein Bürgervotum für die CDU hat hat man in Thüringen gesehen wo sie mit allem rechtstaatlichen und propagantischtischen Mitteln an der Macht bleiben wollte.