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■ Rosi Rolands Bremer KlatschgeschichtenSicher – ans Grab!

Ich finde Polizei gut. Muss man doch auch mal sagen können. Die setzen sich in diesen unsicheren Zeiten schließlich wirklich für uns ein. Für unsere Sicherheit. Und für die von unserm Nachwuchs. Für unsere Jungs beispielsweise, damit die sich nicht die Birne einrennen, nach der Party, mit dem Auto am Baum und so, machen sie jetzt eine Kampagne. Gut so, schließlich kennt doch jeder so einen traurigen Fall. Aber Mensch, was habe ich gestaunt, dass ausgerechnet „mein Fall“ jetzt im neuesten Faltblatt der Polizei auftaucht.

„Wir wollen, dass Sie sicher ankommen“, heißt das Glanz-blättchen, das in jedem Revier rumliegt. Ganz nett aufgemacht, mit flotten Sprüchen wie: „Schmetterlinge im Bauch ... Alkohol im Blut ... Auto im Eimer...“ Zielgruppengerecht getextet, denke ich also und blättere weiter. Da sticht mir auf der Innenseite das Foto von einer privaten Gedenktafel an der Otto-Brenner-Allee in die Augen: „Wir nehmen Abschied von Euch/ Roman K. geb. am 4.12.80/ Bashkim B. geb. am 28.12.78/ Gestorben durch einen schweren/ Autounfall am 21.12.1996.“

Gott, da steigen mir glatt die Tränen in die Augen, das werd' ich nie vergessen, wie das damals war, Jahreswende 96/97. Wie der Vater vom verunglückten Bashkim Bytyci sich die Augen ausheulte, als er erfuhr, dass sein Ältester ums Leben gekommen war. Kurz vorm 18. Geburtstag, haarscharf vor der Führerscheinprüfung, hinterm Steuer eines geliehenen Autos. Aber das hat der Vater in seinem Schmerz ja gar nicht richtig wahrgenommen. Hätte ja auch sowieso nichts ändern können, hatte ja schon wochenlang im Abschiebeknast gesessen, der Mann. Sollte weg, nach Belgrad, obwohl die ganze Familie noch hier lebte – naja, der Sohn ja schon nicht mehr.

Und darum ging's dann auch die ganze Zeit: Ob der Vater zur Beerdigung darf. Wo er doch Abschiebehäftling war. War das ein Drama! Ich meine, Beerdigungen sind ja immer zum Heulen, aber dieses Mal war's richtig schlimm. Geht nicht, hieß es, darf nicht zur Beerdigung. Erst kurz vor knapp, als der Alte fast durchgedreht wäre im Polizeigewahrsam, hat da jemand Erbarmen gehabt. Bytyci durfte seinen Jungen beerdigen. In Handschellen, von sieben uniformierten SEK-Männern begleitet. Daran muss ich jetzt immer denken, wenn ich dieses gut gemeinte Faltblatt „Wir wollen, dass Sie sicher ankommen“ sehe. Sicher bis ans Grab, denke ich dann, und dass die Jungs von der Polizei es mit der Sicherheit doch auch wirklich manchmal übertreiben. Rosi Roland

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