Roman von Oleksandr Irwanez: Der Krieg erreicht die Hexenwelt
In „Hexenhimmel Berlin“ kreuzen sich Realität und Fantasie: Im Schatten des Ukrainekriegs ist die Hexe Taisia in Berlin bösen Mächten auf der Spur.
Über den Krieg in der Ukraine sind zahlreiche an Tagebucheinträge angelehnte Texte erschienen. Das Dokumentarische und die Autofiktion sind die wohl naheliegendsten Mittel, um sich literarisch mit dem Krieg auseinanderzusetzen. Umso mehr sticht der Roman „Hexenhimmel Berlin“ des ukrainischen Schriftstellers Oleksandr Irwanez hervor, der kürzlich in schwungvoller deutscher Übersetzung von Alexander Kratochvil erschienen ist und ganz im Gegenteil das Fantastische auf die Spitze treibt.
Der Hexenroman spielt kurz nach Beginn der russischen Großinvasion in Berlin. Die Protagonistin, die ukrainische Hexe Taisia, kümmert sich am Hauptbahnhof um die ankommenden Kriegsflüchtlinge. Nach den ersten etwas erklärungslastigen Seiten, die in die Spielregeln der magischen Parallelwelt einführen – so können sich Hexen unsichtbar machen, das erfordert aber große Kraftanstrengung –, zieht einen die sich dynamisch entfaltende Handlung regelrecht in den Bann.
Am Hauptbahnhof erscheint auch die russische Operndiva Korsakowa, eine Hexe, die ein ukrainisches Kind gestohlen und nach Berlin mitgebracht hat, wo sie eine Aufführung am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park plant. Taisia ahnt, dass Korsakowa viel Böses im Schilde führt, und möchte ihr gemeinsam mit ihren magischen Helfern Einhalt gebieten.
Ironischer Kommentar zum Zeitgeschehen
Der Text überzeugt durch derben Humor und eine kunstvolle Erzählweise, die sich durch eine Liebe zum Detail auszeichnet. Statuen erwachen zum Leben, und die alternative Hexenjugend schmeißt eine geheime Party im Bamberger Künstlerhaus Villa Concordia, während Korsakowa die deutsche Hexenwelt verzaubert, die daraufhin Ruhmgesänge auf das Krieg führende Russland einstimmt, statt die Hexe für ihre illegalen Zaubertricks zu bestrafen – „Wir li-i-i-e-ben Russ-ss-la-la-laland! Wir lieben Russland!“.

„Hexenhimmel Berlin“, Oleksandr Irwanez. Aus dem Ukrainischen von Alexander Kratochvil. Verlag edition.fotoTAPETA, Berlin 2025, 188 Seiten, 18 Euro
Und natürlich steht am Ende der märchenhaften Handlung ein Happy End. Es ist ein Roman, der mit Ironie das Zeitgeschehen unterhaltsam kommentiert.
Der 1961 in Lwiw geborene Irwanez, in der ukrainischen Literaturwelt bekannt als Mitglied des Schriftstellertrios Bu-Ba-Bu, flüchtete in den ersten Kriegswochen nach Berlin und lebte anschließend im Rahmen eines Stipendiums der Villa Concordia in Bamberg, wo der zweite Teil seines Hexenromans spielt. Inzwischen ist Irwanez wieder in die Ukraine zurückgekehrt.
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