Roma in Bulgarien: Im Viertel eingesperrt
In Bulgarien wird die Minderheit auch während der Coronapandemie drangsaliert. In der Roma-Bevölkerung gärt der Protest.
Im gesamten Land herrschen strenge Ausgangsregelungen wegen der Coronapandemie – doch die beiden Viertel Filipozi und Fakulteta waren am 16. April komplett abgeriegelt worden. Die mit Polizeikräften gesicherten Kontrollpunkte dürfen nur noch diejenigen passieren, die zum Beispiel eine Arbeitsbescheinigung oder ein ärztliches Attest vorweisen können – Dokumente, die die meisten Roma überhaupt nicht besitzen.
In der vorvergangenen Woche waren gegen die Minderheit schon in anderen Teilen des Landes ähnlich harte Maßnahmen ergriffen worden. Zwar wird die Roma-Bevölkerung jetzt vermehrt auf Covid-19 getestet, bislang wurden aber nur rund zwei Dutzend Infektionen nachgewiesen. Landesweit sind 1.000 Fälle bestätigt und 49 Menschen in Zusammenhang mit Corona gestorben (Stand 22. April).
Vorwürfe, es handle sich um Diskriminierung, lässt die Sofioter Bürgermeisterin Jordanka Fandykova an sich abperlen. Es gehe nur darum, Infektionen zu lokalisieren und damit das Leben dieser Menschen sowie ihrer Angehörigen und Nachbarn zu retten, sagte Fandykova bulgarischen Medien.
Viele Roma haben keinen Zugang zum Gesundheitssystem
Das Leben der Roma ist schon in „normalen“ Zeiten kein leichtes in dem 8-Millionen-Einwohnerstaat, in dem sie nach offiziellen bulgarischen Angaben mit 330.000 Personen die größte Minderheit stellen. Viele fristen ihr Dasein als Flaschen- und Müllsammler. Die Kinder werden, so sie überhaupt Schulen besuchen, meist getrennt unterrichtet. In den Wohnvierteln fehlt es oft an Trinkwasser, Elektrizität und Kanalisation. Zugang zum Gesundheitssystem haben die meisten nicht.
Auch der Bulgarien-Bericht der Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović, von Ende März dieses Jahres, fiel wenig schmeichelhaft aus. Die meisten rassistischen Angriffe im Land richteten sich gegen Roma, Hasssprache und Feindseligkeiten gegen sie fänden sich auf allen Ebenen der Gesellschaft, heißt es. Seien Behörden oder Politiker involviert, werde ein derartiges Verhalten nicht geahndet.
Rechtsextreme Politiker nutzen Pandemie für Hetze
Als ein Beispiel für die rassistischen Angriffe führt Mijatović das Dorf Voivodinovo an. Dort wurden im Januar 2019 Hunderte Roma von einem wütenden Mob vertrieben. Die Behörden leisteten Hilfestellung, indem sie zahlreiche Häuser niederbrannten – angeblich, da diese illegal errichtet worden seien und Sicherheitsmängel aufgewiesen hätten.
Die Pandemie ist vor allem für rechtsextreme Politiker ein willkommener Anlass zur Hetze. An vorderster Front: Angel Dschambatzki, Vizevorsitzender des Juniorpartners VRMO in der bulgarischen Regierung und EU-Parlamentarier. Er spielt gerne darauf an, dass er Roma-Viertel für Ansteckungsnester hält.
Überhaupt: Viele Roma seien gerade aus Spanien und Italien zurückgekommen, gab er zu Protokoll. Dschambatzki hatte schon 2017 anlässlich eines Streits zwischen einem Rom und einem Bulgaren, der für letzteren tödlich endete, auf Facebook gepostet: „Erzählt mir etwas von Integration, Toleranz, Liberalismus und Humanismus. Und ich werde euch erzählen, wie man einen Strick benutzt.“
Es gärt in der Roma-Bevölkerung
Laut Berichten des bulgarischen Menschenrechtsportals Marginalia haben viele Roma, die noch Arbeit hatten, diese in den vergangenen Tagen verloren. Und es gärt weiter. Unter einem Protestbericht auf der Onlineseite Mediapool.bg heißt es in einem Kommentar: „Sicher werden viele Bulgaren Befriedigung empfinden, dass die Roma eingesperrt sind. Ich nicht! Ich spüre von allen Seiten Rassismus und Repression. Ich bin Roma.“
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