piwik no script img

Roma-Darstellung in Graphic NovelsRobin, Hexen, gebrochene Charaktere

In den Vorstellungswelten der Superhelden-Comics von Marvel und DC gibt es viele Roma-Figuren. Oft liegt der Hintergrund ihrer Identität im Dunkeln.

Dr. Doom ist aktiv gegen Abschiebungen Foto: Kenan Emini

Ich gehöre zu einer Generation, die mit Comics aufgewachsen ist. Mit der Zeit entdeckte ich, dass viele Figuren eine Roma-Herkunft hatten. Das verlieh mir ein Gefühl von Empowerment, auch oder gerade weil es sich häufig um Antihelden und gebrochene Charaktere handelte.

Die Geschichte des Doctor Doom, alias Victor von Doom, ist eng mit der Verfolgung der Roma verbunden. Doom ist Sohn einer Roma-Familie in Latveria. Seine Eltern wurden Opfer des despotischen Barons Vladimir, was Victor dazu veranlasste, Rache zu schwören und sich für die Grausamkeiten an seinem Volk zu rächen.

Doctor Doom ist bekannt für seine übermenschlichen Kräfte und sein außergewöhnliches intellektuelles Genie. Sein unerschütterlicher Wille und sein Streben nach Macht machen ihn zu einem der gefährlichsten Gegner im Marvel-Universum.

Doctor Dooms Herkunft

Ab 2027 soll es Marvel-­Cinematic-Universe-Ver­fil­mun­­­gen der Reihe „Secret Wars“ geben, und wir wollen Marvel sensibilisieren, die Roma-Herkunft von Doctor Doom angemessen zu thematisieren, denn über diese Filme kann ein Massenpublikum erreicht werden. Doctor Doom war für US-Regisseur George Lucas die Inspiration für Darth Vader, eine Figur, die fast jeder kennt. Leider weiß niemand, dass dahinter ein Roma-Charakter steckt.

Der Autor

Kenan Emini arbeitet beim Roma-Center Göttingen.

Häufig sind solche Verweise unbekannt. Der Comiczeichner Jack Kirby hat in seinen Werken soziale Kämpfe anhand verschiedener Figuren thematisiert, darunter etwa Captain America gegen den Faschismus, oder Black Panther als Sinnbild für die Schwarze Bewegung.

Kirby hat auch diverse Roma-Charaktere kreiert und die Verfolgungsgeschichte als Teil ihrer Identität gezeichnet. Immer wieder verlieren Comicfiguren ihre Roma-Identität, wenn sie an Popularität gewinnen. Dazu gehören zum Beispiel der Holocaustüberlebende Magneto und seine Tochter Wanda Maximoff alias Scarlet Witch.

Abwertende Bezeichnungen

Die US-Schauspielerin Eliza­beth Olsen verkörpert seit 2014 Scarlet Witch in Filmen und in der Serie „WandaVision“. Es handelt sich um eine Form von Whitewashing, denn eine weiße Schauspielerin stellt eine Figur dar, die in der Roma-Community aufgewachsen ist. Olsen erwähnt in Interviews zwar Wandas Herkunft, verwendet jedoch abwertende Fremdbezeichnungen wie „Gipsy“ und „Vagabond“. Max Eisenhardt, besser bekannt als Magneto, ist eine der komplexesten Figuren im Marvel-Universum.

Ursprünglich als Roma-Kind in Deutschland geboren, verlor er seine Identität im Laufe der Zeit, als seine Biografie in den Comics neu gestaltet wurde. In Filmen wird er schließlich als Jude dargestellt.

Als einziger Überlebender seiner Familie in Auschwitz entdeckt er magnetische Kräfte und rettet die Romni Magda, später heiraten sie. Mit der Zeit entwickelt Magneto sich zum Antihelden, der für die Rechte der Mutanten (die man als Roma lesen kann) kämpft und die Diskriminierung gegen sie nicht akzeptieren kann. Seine Identität als Roma und die Traumata seiner Vergangenheit werden im Laufe der Comics vernachlässigt.

Ermordete Eltern

Nicht nur bei Marvel, sondern auch bei DC gibt es Roma-Figuren: Dick Grayson, auch bekannt als Robin, ist einer der beliebtesten und einflussreichsten Charaktere des DC-Universums. Seine Eltern, Kalderasch-Roma, sind Zirkusartisten und werden ermordet. Bruce Wayne alias Batman nimmt Dick auf und bildet ihn zu seinem Partner im Kampf gegen das Verbrechen aus.

Später tritt Dick aus Batmans Schatten und wird zu „Nightwing“. Er erhält seine eigene Comicreihe, die mit 150 Ausgaben sehr erfolgreich wird. Als Bruce Wayne für tot gehalten wird und für längere Zeit verschwindet, übernimmt Dick Grayson dessen Rolle vorübergehend. So wird auch Batman zu einem Roma-Charakter.

Zurück zu Marvel: Sybil Dvorak, auch bekannt als ­Gypsy Moth, Sybarite und Skein, ist ein interessanter und komplexer Charakter. Sie wird jedoch wiederholt mit Kriminalität in Verbindung gebracht und perpetuiert damit stereotype Vorstellungen von Roma. In den Comics gibt es mehrere Roma-Hexen, dazu zählen Margali Szardos und Lilia Calderu.

Schlimme Verfolgungsform

Maria Russoff ist zwar keine Romni, wird jedoch, als sie vor Verfolgung fliehen muss, von Roma aufgenommen und lebt 15 Jahre mit ihnen, bis sie von Dorfbewohnern ermordet werden. In den Comics gibt es viele Ansätze, die reale Geschichten der Roma darzustellen. Viele der Charaktere erleben schlimmste Formen von Verfolgung.

Die Geschichte von Lilith Drake, der Tochter von Dracula, ist besonders interessant. Denn der historische Graf Dracula, Vlad Țepeș, hat Roma versklavt, ermordet und verstümmelt. Im Mythos und in der Populärkultur werden Roma häufig als seine Un­ter­stüt­ze­r:in­nen dargestellt. Roma wurden für gottlose Heiden gehalten, die im Bund mit Dämonen seien.

Die Verfolgung der Roma in Rumänien klingt im Comic jedoch lediglich in den Morden an, die Dracula an den Roma begeht. Der historische Vlad Țepeș hat durch grausame Behandlung der Roma einen Ruf als blutrünstiger Despot begründet, um das Osmanische Reich das Fürchten zu lehren.

Roma-Identität in der Welt der Comics ist ein Thema von entscheidender Bedeutung, das sowohl historische Ungerechtigkeiten als auch aktuelle Vorurteile widerspiegelt. Ihre Geschichten bieten das Potenzial, komplexe Individuen mit Erfahrungen und Identitäten zu zeigen. Historisch genaue Darstellung könnte dazu beitragen, Stereotype zu hinterfragen, authentische Repräsentationen zu fördern und den Einfluss der Roma auf Popkultur zu zeigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!