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Rohstoffquelle ElektroschrottStaub zu Staub

Unsere Autorin begleitet ihr Handy zum Recyclinghof in Lustadt. Dort sieht sie zu, wie aus Schrott wieder ein Rohstoff wird.

Viel zu wertvoll, um in der Mülltonne zu landen. Foto: imago/Joker/Karl-HeinzxHick

LUSTADT taz | Mein Handy ist ein kompakter Kasten in Silber. Nicht so elegant und flach wie die Smartphones, mit denen heute fast jeder ausgestattet ist, sondern ein Gerät der ganz alten Riege. Stabiles Plastikgehäuse, dicke Gummitasten, schwerer herausnehmbarer Akku – jahrelang hat es verlässlich funktioniert, kürzlich gab es den Geist auf.

120 Millionen Handys lagern laut dem Marktforschungsinstitut YouGov ungenutzt in deutschen Haushalten herum. Gold, Silber, Kupfer, Seltene Erden und andere Metalle verbergen sich in ihrem Innern – eine weitgehend ungenutzte Quelle zur Wiederaufbereitung begehrter Rohstoffe.

Summiert man den geringen Goldanteil von 24 Milligramm pro gehortetem Mobiltelefon, kommt man auf riesige Mengen: Allein mehr als zwei Tonnen Gold liegen in den häuslichen Elektrosammlungen der Deutschen – ein Schatz, an dem die Recyclingindustrie sehr interessiert ist. Das Handy in einen Briefumschlag packen und dem Recyclinghof zusenden – dieses Modell der Rückführung in den Kreislauf der Wiederverwertung interessierte mich.

Die Post bietet in Kooperation mit dem Recyclingunternehmen Alba beispielsweise einen kostenlosen Versand zur Recyclinganlage Lustadt an. Seit dem Start von „Electroreturn“ im Februar 2012 sind in Lustadt rund 23.500 Umschläge angekommen. Darin: etwa 20.200 Handys. Nur ein Bruchteil also und in der Summe der darin enthaltenen Rohstoffe winzige Mengen: Um an 300 Gramm Gold ranzukommen, müssen etwa 50.000 Telefone ausgeschlachtet werden, ganz zu schweigen vom Vorkommen der anderen Rohstoffe.

taz.am wochenende

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An drei Zerlegestraßen wird elektronisches Gerät auseinandergenommen; moderne Goldschürfer sind am Werk. Mein Handy soll dort enden, und ich will ihm ans Ende seiner Tage folgen, bis es zu Staub zerfällt.

Das kleine Gerät liegt vor mir auf dem Tisch des Großraumwagens im ICE. Stunden fahren wir durchs Land – bis wir freie Sicht über die hügelige Pfalz haben. Hier, knapp 40 Kilometer südlich von Mannheim, ist Lustadt. Sandsteinhäuser reihen sich aneinander, Wein rankt an Mauern empor, in den Gärten zupfen, schneiden, graben die Leute sich den Sommer herbei.

Der Recyclinghof findet sich am Ortsrand, dahinter beginnt Wald, dahinter windet sich der Rhein Speyer entgegen. Große Hallen stehen da, der Recyclinghof Lustadt war einmal eine Türenfabrik: rostige Container mit ineinander verkeilten Geräten, Fernsehern, Computern aus einem vergangenen Jahrzehnt, Kabeln.

Die Handys kommen vor allem aus Süddeutschland

Manfred Fahrner ist hier wichtig, sein Kennzeichen ein offiziell wirkender Anzug – kein Blaumann –, weißes Hemd, marineblaue Schirmmütze mit der Aufschrift: Alba Recycling GmbH. Seit 2005 ist er dort Vertriebsleiter im Bereich Elektronikrecycling. „Den Elektroschrott, den wir hier verarbeiten, beziehen wir hauptsächlich aus süddeutschen Kommunen“, sagt er. „Aber es kommen auch immer mal wieder Lieferungen von Electroreturn aus Berlin.“

Auch mein Handy hätte unter diesen Sendungen sein können. Stattdessen trage ich es selbst über das Gelände des Recyclinghofes – sicher und geschützt in meiner Jackentasche. Ein langjähriger Begleiter, voller Adressen und Kurznachrichten, eine Art Tagebuch, etwas Intimes. Bekleidet mit dem grellgelben Stück Stoff – Warnwesten sind Pflicht – gehen wir in Richtung einer großen grauen Halle, das Rattern schwerer Maschinen schlägt uns entgegen, die Lärmquelle ist unser Ziel.

Maschinen, die sich über ausgemusterte Geräte hermachen. Fahrner ruft gegen den Lärm an: „Hier findet die mechanische Behandlung statt.“ In „hochwertig“ und „minderwertig“ wird der gelieferte Schrott separiert.

Auf den Leiterplatten sind die wertvollen Metalle

Mein Handy gehört zur ersten Kategorie, denn es trägt eine Leiterplatte in sich – auf der konzentrieren sich die wertvollen Metalle. Erst wenn der Container mit den hochwertigen Materialien voll ist, wird sein Inhalt behandelt. Und das passiert vielleicht einmal im Monat, heute werden nur die simplen Elektrogeräte verarbeitet.

Ein Berg Schrott fällt sofort ins Blickfeld, ein Keyboard ragt daraus hervor, ein Kassettenrekorder, eine alte Kaffeemaschine, Kabelstränge, Kupferdrähte – das ehemalige Inventar Tausender Haushalte. Welchen Menschen erleichterten diese Geräte das Leben? Welche Stimme begleitete das elektronische Klavier, das hier nun seine letzte Ruhe findet? Unter all den großen und kleinen Geräten sehe ich vieles, was zum Alltag des Menschen gehört.

Ein Bagger schlägt seine Krallen krachend in den Müllberg und schnappt so viel Schrott, wie er greifen kann. Er presst die Gegenstände zusammen, sie bersten und landen auf einem Fließband. Ein Mann mit orange Helm steht daneben und schaut, ob noch wertvolle Teile unter den Einzelstücken sind. Dann beginnt der eigentliche Bearbeitungsprozess.

Ein Kamera entscheidet bei der Sortierung

Schrottstücke – einst gepflegter Hausrat – werden zerkleinert und nach Stoffgruppen getrennt. Vier Männer in Schutzkleidung stehen am Laufband – nur einer trägt einen weißen Mundschutz – und sortieren alles aus, was den Nachfolgeprozess stört: Batterien etwa, Videokassetten. Wertvolle Teile, wie Messing- oder Kupferdrähte, einzelne Handys und kleinere Festplatten, werden aussortiert. Sie werden heute nicht bearbeitet. Nach der manuellen Zerlegung werden die Teile in grob und fein getrennt, eine Kamera erkennt die Farbe und separiert Kunststoff von Metall.

Vor einer blauen Maschine, aus der es geräuschvoll bläst, halten wir. „Ein Luftstrom bearbeitet und trennt die metallischen Partikel hier weiter. Es wird die Spreu vom Weizen getrennt“, sagt Fahrner. In einen Behälter rieseln die Aluminiumpartikel – wie Silberperlen –, in einen anderen das Kupferkonzentrat.

Wir verlassen die Halle und kommen in einen Raum, der einer kleinen Werkstatt gleicht. Auf einem Wagen liegen vier, fünf Päckchen: „Electroreturn“ heißt es auf den Aufklebern – hier endet die Reise der Telefone auf einer Art OP-Tisch.

Ein Kiste mit „Wundertüten“

Ein älterer Herr steht an einem Tisch und öffnet mit gekonnter Hebelbewegung ein Handy nach dem anderen, sortiert die Akkus beiseite. Der Moment ist da – ich krame mein Handy hervor und lege es auf die Arbeitsplatte. Der Mann schaut kurz auf, nimmt es an sich und hebelt es auf. Es klemmt ein wenig. „Scheint schon ein paar Jahre hinter sich zu haben“, sagt er. Den Akku und einzelne Plastikteile legt er in eine Kiste, die Leiterplatte, matt-metallisch, in eine andere.

Ein Eisenkorb mit einigen Dutzend Umschlägen steht dort – der Post der letzten Wochen. „Jeder Umschlag ist wie eine Wundertüte“, sagt Fahrner und öffnet einen Brief. Er ist leer. „Da war jemand schneller.“ Auf dem Postweg nach Lustadt kommt das manchmal vor. Ist der Container mit den hochwertigen Materialien voll, ist auch der Tag der Bearbeitung gekommen. Dann durchlaufen auch die Handys jenen Zerkleinerungs- und Sortierungsprozess, den ich am Beispiel des minderwertigen Schrotts verfolgen konnte.

Was bleibt, sind Kunststoffgranulat, Aluminiumpartikel und Kupferkonzentrat – rötlich schimmerndes Metallpulver, in dem sich winzige Bestandteile anderer Metalle verbergen. Kupferhütten sind für die weitere Aufarbeitung zuständig: Dort wird das körnige Konzentrat eingeschmolzen und durch die Elektrolyse zum reinen Stoff Kupfer verarbeitet. Ein schlammiges Gemisch ist das Nebenprodukt, Anodenschlamm, aus dem Edelmetalle gewonnen werden: Gold, Silber, Palladium oder Platin.

Auch wenn immer mehr Wert darauf gelegt wird, Abfall zu verwerten – das Handyrecycling ist noch nicht weit verbreitet. „Bisher sind Handys die kleinste Rohstoffquelle in unseren Anlagen“, sagt Fahrner.

Zwei Tonnen Gold in den Handys

Zwei Tonnen Gold lagern im Innern der privat gehorteten Handys. Selbst wenn alle diese Geräte wiederverwertet würden: Nur ein Bruchteil des weltweiten Bedarfs der Edelmetalle wäre gedeckt. Smartphones, Tablets und PCs verschlingen jährlich 320 Tonnen des goldenen Rohstoffs – und der Bedarf an den Geräten steigt wegen immer kürzerer Produktzyklen weiter. Wird ein Smartphone ersetzt, bleibt das alte meist ungenutzt liegen und findet selten den Weg in die Hallen der Recycler.

Mein Handy ist nun Teil dieses Kreislaufs – und für mich beginnt eine neue Ära. Obwohl ich mich lange gewehrt habe, habe ich jetzt auch ein Smartphone, aber eines mit einem sprechenden Namen: ein Fairphone. Seine Herstellung soll so durchsichtig wie möglich sein, bevorzugt mit Rohstoffen aus kontrollierten Minen. Aber konsequent „fair“ können auch sie nicht gewonnen werden. Ethisch korrekt ist kein Handy.

Mein Gewissen aber ist nach dem Besuch des Recyclinghofes ein wenig besser, weil aus seinen Partikeln etwas Neues entstehen kann.

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1 Kommentar

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  • Ist es nicht doof, sein altes Gerät wegzuwerfen, um sich dann bei einem Defekt oder Verlust des Neugerätes noch ein Handy kaufen zu müssen?

     

    Die Rohstoffe in einem oder gar drei Altgeräten verschimmeln nicht, werden nicht weniger. Das Auflösen geringer Bestände bringt da wenig, und wer die Wohnung zum Elektroschrott-Sammelplatz macht, der hat eh ein anderes Problem, der gibt auch kein Altpapier her.

     

    Aber das Abgeben von Altgeräten sollte einfacher gemacht werden. Ich habe das Glück, in Reichweite eines Recyclinghofes zu wohnen, so daß ich alles mit dem Rad wegbringen kann. Wer einen Fernseher wegschmeißen soll, aber dazu Bus und Bahn fahren müßte, der sucht sich doch gerne was Anderes. Da wäre es IMO günstig, das mit dem Gelben Sack zu kombinieren?