Rohingya in Birma:
Suu Kyi verurteilt erstmals Gewalt
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Rohingya in Birma: Suu Kyi verurteilt erstmals Gewalt
Die De-facto-Präsidentin hat sich am Dienstag gegen „Menschenrechtsverletzungen“ gewandt. Eine Garantie für die Rückkehr der Geflüchteten sprach sie nicht aus.
Sie schwieg lange: Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi
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Naypyidawafp/dpa | Birmas De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi hat in einer mit Spannung erwarteten Fernsehansprache erstmals die Gewalt gegen die muslimische Minderheit der Rohingya öffentlich verurteilt. Suu Kyi wandte sich am Dienstag gegen „Menschenrechtsverletzungen“ im Bundesstaat Rakhine und versicherte, dass sie mit „allen Menschen“ mitfühle, die von dem Konflikt betroffen seien. Birma solle nicht wegen unterschiedlicher Religionen gespalten sein.
Suu Kyi erklärte sich außerdem bereit, ausländische Beobachter ins Land zu lassen. Sie sollten sich selbst ein Bild von der Lage machen, sagte sie. Überdies sei ihre Regierung „jederzeit“ bereit, den Status der Rohingya zu prüfen, die in den vergangenen Wochen außer Landes geflohen waren. Eine Garantie für deren Rückkehr sprach Suu Kyi dabei nicht aus.
Suu Kyi hatte in den vergangenen Wochen zu der Krise beharrlich geschwiegen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres sagte am Montag, die Fernsehansprache der Friedensnobelpreisträgerin sei die „letzte Chance“ zur Beilegung des Konflikts. Der Konflikt dürfte auch ein wichtiges Thema bei der Generaldebatte der UN-Vollversammlung sein, die am Dienstag beginnt. Suu Kyi hatte ihre Teilnahme abgesagt.
Verfolgung der Rohingya in Birma
Rund 370.000 Menschen sind in den vergangenen zwei Wochen aus Birma ins angrenzende Bangladesch geflohen. Die Flüchtlinge gehören der muslimischen Minderheit der Rohingya an, die in Birma, das sich offiziell Myanmar nennt, keine Staatsbürgerschaft erhalten.
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Die Rohingya sind die größte staatenlose Gemeinschaft der Welt. Seit Jahrzehnten werden rund 1,1 Millionen Menschen im mehrheitlich buddhistischen Birma diskriminiert. Die landesweite Devise lautet: „Raus mit den Rohingya“.
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Der Konflikt um die Rohingya spielt sich in Birmas Teilstaat Rakhine, an der Grenze zu Bangladesch, ab. Immer wieder sind im Zuge von Militäroperationen Rohingya über die Grenze nach Bangladesch getrieben worden.
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Das Nachbarland hat in der Vergangenheit schon hunderttausende Flüchtlinge aus Birma aufgenommen. Rund um die älteren Camps sieht man die neuen Vertriebenen mit leeren Blicken und leeren Mägen. Zuvor haben sie den Grenzfluss Naf mit wackeligen Booten überquert.
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Permanent hat das birmesische Militär in der ehemaligen Diktatur die Furcht vor dem „Anderen“ kultiviert. Die Angst instrumentalisierten die Generäle für sich, um so ihre Macht zu sichern.
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Dutzende Flüchtlinge, mit denen die taz in Bangladesch gesprochen hat, berichten von niedergebrannten Häusern. Ihre Aussagen decken sich mit Satellitenbildern, die Human Rights Watch ausgewertet hat, und mit Fotos aus der Region. Die NGO spricht von ethnischer Säuberung.
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Auch der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, legte am Montag überzeugend dar, dass das mörderische Vorgehen der Militärs gegen die Rohingya den Tatbestand der „ethnischen Säuberung“ erfüllt. In Bangladesch protestierten Aktivisten am Freitag dagegen.
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Aus Birma selbst kommt keine Kritik am militärischen Vorgehen. Selbst Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, seit einem Jahr Birmas Staatsrätin, mahnt die Militärs nicht zur Mäßigung. Stattdessen beteiligt sich die Regierung an der hetzerischen Antiterrorpropaganda.
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Mitarbeiter von Hilfsorganisationen schätzen, dass sie nur ein Viertel des Essensbedarfs der geflüchteten Rohingya decken können. NGOs zapfen ihre Notfallfonds an. Fotografen fahren in ihrem Auftrag in die Camps, um für Spendenaktionen eindrückliche Bilder vom Leid der Menschen zu sammeln.
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In Birma leben überwiegend Buddhisten, die Rohingya sind Muslime. Der seit Jahren andauernde Konflikt in Rakhine war Ende August eskaliert, als Rohingya-Rebellen Soldaten und Polizisten angriffen und dutzende Sicherheitskräfte töteten. Das Militär reagierte mit brutaler Gegengewalt. Hunderte Menschen wurden getötet, ihre Häuser niedergebrannt. Die UNO spricht von „ethnischen Säuberungen“. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR flüchteten bereits mehr als 400.000 Rohingya ins Nachbarland Bangladesch.
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