: Rönsch will die Sozialhilfe einfrieren
■ Kinderreiche Familien stark betroffen
Berlin (taz) – Bundessozialministerin Hannelore Rönsch (CDU) hat dem Kabinett gestern einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Sozialhilfe für die nächsten Jahre einfriert. Danach soll der Regelsatz für den Zeitraum von Juli 93 bis Juli 94 lediglich um zwei Prozent steigen, von Juli 1994 bis Juli 1996 soll er jährlich nur um drei Prozent erhöht werden. „Dies ist eine Abkehr vom Bedarfsdeckungsprinzip“, kritisierte Ulrich Schneider, Sprecher des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPWV). Die Sozialhilfe müsse entsprechend der Preisentwicklung angehoben werden. Es sei schon jetzt absehbar, daß die Inflationsrate in den kommenden Jahren höher ausfalle als die geplante Erhöhung der Sozialhilfe, so daß SozialhilfeempfängerInnen mit realen Einbußen rechnen müßten.
Insgesamt will die Ministerin 1993 700 Millionen Mark einsparen, 1994 1,8 Milliarden und in den beiden darauffolgenden Jahren je 1,8 Milliarden Mark. Dies entspricht den Vorgaben, die das Finanzministerium im Zuge des sogenannten Solidarpakts gemacht hat. Von den Sparplänen sind vor allem kinderreiche Familien betroffen. Für Haushalte ab vier Personen gilt, daß die Sozialhilfe für den Zeitraum von 93 bis 94 auf dem jetzigen Stand eingefroren wird. In den Jahren 95 und 96 sollen ihre Bezüge nur um ein Prozent ansteigen. Bei kinderreichen Familien soll dadurch das sogenannte Abstandsgebot zwischen Sozialhilfe und unteren Lohneinkommen eingehalten werden.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband bezeichnete den Gesetzentwurf als „einen in der Geschichte des bundesdeutschen Sozialstaates beispiellosen Skandal“. Nach Berechnungen des DPWV gäbe es nur vereinzelte Fälle, in denen Familien aufgrund der Sozialhilfe mehr Geld hätten als Familien unterer Gehaltsgruppen. Der DPWV bezeichnete die Berechnungen als „bereits im Ansatz verfehlt“, weil bei den Sozialhilfe-Regelsätzen das Lohnabstandsgebot bereits berücksichtigt sei.
Nach dem Entwurf soll auch die Sozialhilfe für sogenannte Arbeitsunwillige um rund 20 Prozent gekürzt werden. Dorothee Winden
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