piwik no script img

Röcke an MännerbeinenSie rocken nicht

Männer dürfen alles tragen - außer Röcke. Als eine der wenigen modischen Revolutionen lässt der selbstbewusste Mann mit Rock auf sich warten. Warum?

Als Schottenrock ist das Kleidungsstück auch bei Männern erlaubt. Bild: dpa

Wann alles so richtig vorbei war, darauf können sie sich nicht einigen, aber fest steht: Es ist vorbei. Sandra Kuratle, die einzige Designerin im deutschsprachigen Raum, die ausschließlich Männerröcke entwarf, nahm 2001 Hosen in ihre Kollektion auf. Robert Landinger und Doreen Anders schlossen ihren Männerrockladen in München 2004.

Ben Neudeck, der seit zehn Jahren Männerrockforen im Internet verfolgt, sagt: "Es werden tendenziell eher weniger." Sie alle fühlten sich als Wegbereiter einer kleinen Revolution in der Mode. Sie dachten: Klar, es dauert, aber irgendwann werden Röcke für Männer normal.

Die Einzige, die da heute noch Hoffnung hat, ist die Soziologin. Aida Bosch, 45, beschäftigt sich an der Universität Erlangen mit Modesoziologie. "Meine Prognose ist, dass die Zeit für den Männerrock bald reif ist. Es ist das letzte Tabu, das fallen kann, und die Mode ist immer auf der Suche nach dem Neuen, dem Ungesehenen", sagt Bosch.

Bild: taz

Dieser Artikel ist der aktuellen vom 26./27. 9. 2009 entnommen – zusammen mit der taz am Kiosk erhältlich.

Sandra Kuratle war auf dieser Suche, als sie in ihrem Studium an der Züricher Kunsthochschule die Röcke des Designers Jean Paul Gaultier entdeckte. "Ich fand das einfach sehr attraktiv", sagt sie. "Die Figur kam besser raus, es wirkte majestätisch - und sehr männlich." Sie las über Kimonos und Kilts, Togas und Kaftane.

Darüber, dass mit der Französischen Revolution das Äußere des Mannes immer mehr gleich gemacht und rationalisiert wurde - gipfelnd im Anzug. Die Modedesignstudentin begann zu experimentieren, und ihre Diplomarbeit entstand: "Röcke machen Männer". Bei den Prêt-à-porter-Modeschauen in Paris stellte sie ihre Kollektion vor. Nächste Woche, am 1. Oktober, wenn die Schauen wieder beginnen, ist das genau 15 Jahre her.

Zwischendurch gab es durchaus Grund, an einen Wandel zu glauben. "Mit der Technoszene in den Neunzigern gab es eine Zeit lang einen richtigen Boom", sagt Kuratle. "Die Leute kamen in den Laden, haben Röcke angezogen und sind rauf auf die Straße."

Etwa zur gleichen Zeit - 1999 - ging Robert Landinger in einem von seiner Frau geschneiderten Rock in eine Boutique im Münchener Glockenbachviertel. Der Besitzer suchte gerade händeringend nach einem Rocklieferanten. So wurden der Punkmusiker Landinger und die Schneiderin Doreen Anders zu Modedesignern.

Gemeinsam mit Sandra Kuratle - aber auch mit Stars wie Vivienne Westwood - wurden ihre Arbeiten 2003 im Metropolitan Museum of Art in New York ausgestellt. Unter dem Titel: "Bravehearts - Men in Skirts".

Das Problem sei, sagt Sandra Kuratle, dass der Männerrock für die Mehrheit ein Modegag blieb - nicht alltagstauglich. "Man hat ihn nicht ernst genommen."

Es gibt in Deutschland heute drei Gruppen von Männern, die Röcke tragen. Einmal Designer und Modeinteressierte, die das Kleidungsangebot für Männer langweilig und beengend finden und endlich mal etwas anderes anziehen wollen. "Viele meiner Kunden heiraten im Rock, weil sie so gelangweilt sind von den Anzügen, die sie schon den ganzen Tag tragen müssen", sagt Kuratle.

Dann Alternative und Menschen aus der Queerszene, die ihre Kritik an den klassischen Geschlechterrollen im Rocktragen leben. Schließlich eine Gruppe von Menschen, für die Männerröcke einfach ein Hobby sind, wie für andere Modelleisenbahnen - inklusive Websites und Gruppengefühl.

Ben Neudeck ist irgendwo zwischen Gruppe eins und drei. Der 37-jährige Münchener arbeitet als Erzieher in einer Behinderteneinrichtung, er trägt im Durchschnitt vier Tage die Woche Rock. Vor zehn Jahren stieß er im Internet zufällig auf ein Männerrockforum. Zwei Jahre lang klickte er immer wieder rein, dann ging er mit seiner damaligen Freundin in die Karstadt-Frauenabteilung.

Er suchte den männlichsten Rock aus - schwarz, schlicht, keine Rüschen. Die Mikrofaser fühlte sich gut an, aber als er das erste Mal damit auf die Straße ging, leicht gebeugt, unsicher, riefen Jugendliche: "Bist du schwul, Mann?" Ein paar Tage später kaufte sich Ben Neudeck dennoch drei weitere Röcke. Und wurde Mitglied von Deutschlands einzigem Männerrockstammtisch. "Das hatte etwas von Selbsthilfegruppe", sagt Neudeck.

Rocktragen ist Selbstbewusstseinstraining. "Den Leuten, die zu mir kommen, ist es entweder egal, angeschaut zu werden, oder sie mögen es", sagt Sandra Kuratle. Und sie müssen männlich bleiben. Die Designerin arbeitet mit Doppelsteppnähten und Schnallen - traditionellen Details von Männerkleidung.

Männer zum Rocktragen zu bringen, das funktioniere anders als Frauen zur Hose. "Die Emanzipationsschiene klappt nicht", sagt Kuratle. Frauen wollten das mit der Hose verbundene symbolische Kapital. Männer das mit dem Rock verbundene nicht. "Der Mann hat die Hosen an - das sitzt ganz tief", sagt die 43-Jährige.

Stoff als Identitätspolitik: "Während sich die Geschlechterrollen in der Gesellschaft gelockert haben, haben sie sich in der Mode verschärft. Vielleicht ist das eine Gegenreaktion, um das Spiel mit der Erotik zu erhalten", sagt Soziologin Bosch. Ihre Hoffnung sind die Schulterpolster: Männlichkeit für Frauen, seit einem Jahr wieder in. In den Achtzigern tauchten sie etwa zeitgleich mit den ersten Männerröcken auf. In der Mode ist nie etwas wirklich vorbei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

19 Kommentare

 / 
  • T6
    Tom 65

    Als Ergänzung zur Garderobe sind Röcke für Männer ja eigentlich schon überfällig, aber bitte nur in angepasster Form nicht mit Rüschen, verspielt geschnitten oder extreme Minis...Feinstrumpfhosen für Männer gibt es ja auch schon !

    Aber die Modeindustrie und die Medien nehmen dieses Thema leider immer noch nicht ernst und bringen, wenn überhaupt nur eher unsachliche oder belustigende Beiträge.

    Und was hat der Kleidungsstil mit der sexuellen Orientierung zu tun? Frauen in Hosen sind ja auch nich automatisch lebisch wenn sie hosen tragen oder??

  • M
    Marc

    " Die Blockade spielt sich nur im eigenen Kopf ab!"

    Schaut Euch mal die aktuelle Kollektion für 2010 und die Frühjahr/Sommer-Kollektion für 2011 von "Siki Im" aus New York oder die Homepage von dem Designer Howie von "21st century kilts" aus Edinburgh an, dann ist die Zeit schon längst da, dass Männer Röcke oder Kilts tragen, aber wenn man nur diskutiert und sich nicht traut, dann wird sich in der breiten Masse nichts ändern.

    Ich liebe Kilts und trage sie auch, wenn ich Lust dazu habe!

    Gruß von Marc

  • Q
    Quark

    Mehr Beweglichkeit im Kilt oder Rock als in einer Jeans???

    - Da war wohl jemand nicht im Stande sich eine passende Jeans zu kaufen die ihm passt.

    Und was sollte einen daran hindern sich auch in Jeans eine Tragetasche zu zulegen.

     

    Jedenfalls ist es schön zu sehen das die Leute immer offener, toleranter und zahlfreudiger werden.

     

    Dass gewisse Themen in der Medien - und Werbebranche immer öfter erwähnt, besser gesagt angepriesen werden sollen ist natürlich Zufall und hat selbstverständlich nichts mit wirtschaftlichen Interessse zu tun.

     

    mfG.:

     

    Quark

  • Z
    Zareen

    Recht so! Bringt bitte öfter mal etwas zum Thema Röcke für Männer. Ich trage gerne Röcke. Neulich habe ich einen Handwerker-Kilt bekommen. Der hat viele Taschen und man kann alles hineinstecken und mitnehmen, was man will, mehr als in einer Jeans.

    Bei einem Kilt kann man zumindest was die Schrittweite betrifft, nicht von "unpraktisch" reden. Darin sind größere Schritte als in einer Jeans möglich.

    Und bei Röcken hat man oft 2 Taschen und wenn nicht, tut es eine Gürteltasche, oder eine Umhängetasche.

    Inzwischen habe ich mehr als 10 Röcke und einen "Kilt".

    Leider trifft die Männer in den eigenen Familien extrem mehr Unverständnis und Feindseligkeit als von Leuten auf der Straße.

    Aber da müssen wir wohl durch.

  • R
    Ralle

    Ich trage jetzt seit mehr als 20 Jahren Röcke,am

    häufigsten zu hause,aber auch viel draußen !

    In der Sommerzeit,kann man mich häufig draußen im

    Rock antreffen !

    Natürlich habe ich auch schon des öfteren mal ganz

    negative Kritik bekommen,aber doch waren die meisten

    Bemerkungen eher Positiv !

    Mein größter wunsch,wäre es,das ich es noch bevor

    mein Leben mal vorbei ist,es noch erleben darf,das

    sich der Männer-Rock endlich durchgesetzt hat !!

  • S
    Silixflox

    Andere Betrachtungsweise:

    Ich muss der Venen wegen Kompressionsstrumpfhosen tragen. Ein leidiges Thema welches auch vor dem Manne keinen Halt macht. Aber oh weh, ist es Sommer und warm kann ich das nicht mehr. Versuchsweise habe ich einen Rock angezogen und einen Tag halt im ersten Affekt zuhause angehabt. Es ist viel angenehmer als in Hosen. Die Wärme kann entfliehen. Darum sollte auch der Rock am Mann salonfähig werden. Es hat mit wohlfühlen zu tun. Demnächst sollte mein Utilkilt auch ankommen. Dann werde ich es auch einmal in der Freizeit draussen probieren. All die den Rock am Mann nicht sehen oder tolerieren können, haben heuer eine sehr beschränkte Weltanschauung. Der Mann putzt, kocht, wäscht, näht und hilft bei der Erziehung der Kinder mit. Darum kann er auch einen mind. knielangen rock oder Kilt tragen. Gegenfrage: Warum dürfen Frauen Hosen tragen?

  • J
    jeromehej

    Hello,

    I don't speak deutch. You can visit my website about skirt for men : http://men.jupe-skirt.info

    See you soon

  • J
    Jaddy

    Ich habe im Rock geheiratet, entwerfe meine selber und lasse sie nähen, trage Röcke im Alltag wo es geht und habe bisher keine negativen Reaktionen erlebt. Röcke, nicht Kilt. Den meisten ist es wohl egal, oder sie trauen sich nicht, einen Mann von meinem Format (189cm hoch) anzupöbeln.

     

    Es ist auch ein bisschen Protest gegen Geschlechterrollen, überkommene Konventionen und die Uniformierung der "Männermode". Aber hauptsächlich fühlen sich Röcke einfach besser und luftiger an :)

  • S
    Stadtneurotiker

    Wow, Katharina, ich ziehe meinen Hut! Sowohl vor Euch als Eltern, die ihren Sohn unterstützen, als auch vor Eurem Sohn, der die breite Brust hat, das durchzuziehen!

  • B
    Brezel

    Ich bin auch ein Kilt träger aus Leidenschaft.

    Allerdings Beruflich nicht möglich (Vielleicht sollte ich zur Welde Brauerei wechseln).

    Wenn ich im Büro Arbeiten würde, würde ich mit Kilt kommen.

    Aber in der Freizeit immer wieder Gerne.

    Die Sache ist auch die, dass Männer selten selber Klamotten einkaufen. Welche Frau bringt Ihrem Mann einen Kilt oder Rock mit?

    Männer sind da eher Uninteressiert und vielecht sogar Dumm.

    Gruß

    Brezel

  • S
    soeren

    interessante thesen, aber aus meiner perspektive betrachtet: ich finde röcke einfach sehr unpraktisch, gehe eh nie mit der mode (seit jahrzehnten jeans) und freue mich immer wieder, dass ich alles in die taschen stecken kann, dass ich große schritte machen kann und das es sich einfach gut anfühlt. ich bin zwar tendenziell dem kilt oder auch kaftanen nicht abgeneigt, sehe diese jedoch maximal als party / fasching / entspannungskleidung an, für den alltag fast völlig ungeeignet.

     

    ich finde dieser trend muss nicht kommen - und ich vermute, er wird es auch nicht so schnell, aber ... who knows.

    • H
      Heinzi
      @soeren:

      Ich finde Damenröcke auch sehr unpraktisch. Zum Kilt trägt man für gewöhnlich einen Sporran als Taschenersatz. Utility Kilts haben mehr als genügend Taschen.

       

      Röcke bieten eine bessere Ventilation und Komfort für die Männlichkeit aufgrund des fehlenden Saums. Man(n) kann sich viel einreden, auch, dass sich eine Hose komfortabler anfühlt als ein Rock. Es sei denn, es handelt sich um einen kurzen Damenrock im tiefsten Winter.

  • J
    Jakob

    Erst vorhin habe ich diese Artikel gelesen und über meine bisherigen Begegnungen mit rockenden Männern nachgedacht. Wenig später saß ich mit einem Buch auf einer Bank und an an mir vorbei schlenderte Mann mit Rock. Sah gut aus. Und das -was eigentlich spannend ist- mitten in der schwäbischen Provinz. Und das will was heißen. Nämlich: es geht doch! :-)

  • M
    Makeze

    Als halber Schotte hab ich schon oft einen Kilt getragen. Allerdings nur zu formalen Anlässen. Aber ich kann es den Männern nur empfehlen. Nie bekommt man soviel Aufmerksamkeit von den Damen als wenn man ein wenig Bein zeigt...

    Mein Onkel war Sylvester 2000 mit einem Freund in New York unterwegs, im Kilt. Er hat den ganzen Abend nicht einen Cent ausgeben können, die Leute haben es einfach nicht zugelassen.

    Leider hab ich keinen passenden Kilt mehr. Die Dinger sind einfach zu teuer. Sollte sich Schottland jedoch für die WM qualifizieren gibts da wohl keinen Weg drum herum. Mit T-Shirt und Turnschuhen ist das Outfit einfach klassisch!

  • B
    Besserwisser

    Ich bin selber "Rockträger", bzw. trage sowohl Röcke, als auch Hosen und finde es toll, dass das mal thematisiert wird. Wenn Frauen Hosen tragen, ist das ja mittlerweile total normal (vor 50 Jahren aber noch unvorstellbar) und wenn ein Mann mit Rock herumläuft, wird er schief angeguckt.

    Ich habe sowohl Kilts, als auch "echte" Röcke...

    Eine Anmerkung noch: Die Autorin hat die vermutlich größte Rockträger-Gruppe schlicht vergessen oder ignoriert: nämlich die Gothic-Szene, in der das Rock-Tragen für Männer dann sogar schon recht normal ist. Nur so am Rande. ;-)

  • FN
    Felix Nagel

    Völlig außer acht gelassen wurde in diesem Artikel eine der größten Gruppen von männlichen Rockträgern: die Goth Szene.

     

    Neben Punkern (auch nur Schottenrock) tragen viele Goths sehr gerne Rock. Nicht aus Hobby sondern aus Lifestyle. Tagsüber wie auch Nachts.

     

    Bescheiden recherchiert.

  • M
    Mathias

    Ich bin auch Kiltträger, es ist ein herrliches Gefühl. Allerdings sollte man nicht damit nachts durch die Straßen gehen, Betrunkene stören sich an jeder scheinbaren "Abnormalität".

     

    *Seufz*

     

    Röcke für alle.

  • M
    Martina

    hallo Katharina,

     

    ich hab grad deinen Kommentar gelesen und muss einfach eines loswerden:

     

    ich find das is toll!

     

    liebe Grüße an deinen Sohn - ich wünsch ihm noch viel Freude an seinem Rock (und all denen, die noch folgen werden :-)

  • K
    Katharina

    Mein Sohn (11) hat sich seit seinem 9 Lebensjahr einen Kilt gewünscht. Ausschlaggebend war und ist sein übergroßes Interesse an der schottischen Tradition. Dieses jahr zu seinem 11. Geburtstag bekam er dann endlich seinen Wunsch erfüllt, trug ihn in der Schule, zum spielen draußen und zum Einkaufen. Es gibt keine Situation die er mit seinem Rock meidet. Selbst eine Großveranstaltung hält ihn nicht davon ab seinen Kilt zu präsentieren. Mit jedem anfeindenden Spruch kontert er gekonnt: "Ihr habt ja so absolut keine Ahnung!"

    Es erfüllt ihn mit großen Stolz über etwas bescheid zu wissen wovon andere nicht mal träumen. Er hatte 2 Jahre die Wahl: Kilt oder Playstation.