Robert Harting holt Gold in Daegu: Mit großer Klappe zum Erfolg

Robert Harting verteidigt in Daegu mit dem Diskus seinen WM-Titel. Der größte Kritiker des Verbandes bewährt sich als einer seiner verlässlichsten Medaillensammler.

Liebt die Show: Robert Harting. Bild: dpa

DAEGU taz | Robert Harting tigert neben dem Diskusring auf und ab. Er trinkt einen Schluck, er zieht sich die Jacke an und wieder aus, er setzt sich, er steht wieder auf, läuft eine Runde. Er kann jetzt nicht stillhalten. Er muss warten, was er hasst, und sich wundern, was er kaum glauben mag. Kann es sein, dass der erste Wurf, den der Titelverteidiger auf 68,49 Meter katapultierte, die Konkurrenz in eine Schockstarre versetzt hat?

Harting geht auf Nummer sicher, er befördert die Scheibe im vierten Durchgang auf 68,97 Meter, wandert noch ein bisschen weiter herum, und dann steht es fest: Der Mann mit der großen Klappe und dem kaputten Knie hat es wieder geschafft. Robert Harting ist zum zweiten Mal nach 2009 Diskuswurf-Weltmeister.

Olympiasieger Gerd Kanter aus Estland (66,95 Meter) und der Iraner Ehsan Hadadi (65,50) landen am Dienstag in Daegu abgeschlagen auf den Plätzen zwei und drei. Harting geht im Diskusring auf die Knie, legte die Stirn auf den Boden, gönnt sich einen kurzen Moment der Ruhe. Dann der Jubel, und als genug Fotografen da sind, Hartings Weltmeistergeste. Wie 2009 in Berlin zerreißt der 26-Jährige sein Trikot und begibt sich mit freiem Oberkörper und Deutschlandfahne auf die Ehrenrunde.

Dass es dazu kommen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Denn sein Knie hatte ihn in der Vorbereitung mit einer entzündeten Patellasehne geplagt. Er konnte nicht trainieren, wie er wollte, er zweifelte und fluchte. In Daegu betäubte er die Schmerzen mit Spritzen und holte den Kämpfer in sich hervor. Wie immer, wenn es drauf ankommt.

Harter Kerl mit intellektuellen Sprüchen

Dass Harting auch ein Jammerlappen sein kann, mag man kaum glauben. Aber er selbst hat ihn in seinem Innern ausgemacht. Das hat er vor der WM erzählt. Nach außen gibt er manchmal den Intellektuellen. Dann spricht der Student der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation von psychologischen Modellen und analysiert seine Gegner. Und er markiert den harten Kerl, der sich nicht um Manieren schert und markige Sprüche raushaut. Dann kritisiert er dies und das. Vor dem Abflug nach Daegu war die Art dran, wie in Deutschland Olympiasieger behandelt werden. Dass sie nichts weiter als "eine Kiste Bier" bekämen, findet Harting verwerflich.

"Das ist seine Art, er braucht das, sich im Vorfeld nochmal in die Medien zu schießen", sagt seine Disziplinkollegin Nadine Müller dazu. Die Hallenserin hatte zwei Tage zuvor schon Silber mit dem Diskus gewonnen. Auch Herbert Czingon, im Deutschen Leichtathletik-Verband Cheftrainer für die technischen Disziplinen, stört es nicht weiter, dass Harting vor einer Großveranstaltung immer ein solches Getöse veranstalten muss.

"Ich habe nicht das Gefühl, dass er sich damit gegen die Mannschaft oder den Verband stellt", sagt Czingon. Und zu erwarten, dass ein Athlet "aufgepumpt in den Ring" gehe, um verlässlich Weltklasseleistungen abzuliefern, und hinterher als "braves Lamm" auftritt, das sei unrealistisch.

Harting muss vor dem Jahreshöhepunkt sein Aggressionspotenzial erhöhen, muss den Jammerlappen in Fesseln legen. Dann kann er weit werfen. Der Erfolg gibt ihm recht. WM-Zweiter 2007, Weltmeister 2009, EM-Zweiter 2010, Weltmeister 2011 - damit ist ausgerechnet der Verbandskritiker Harting einer der verlässlichsten Medaillensammler des DLV.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.