piwik no script img

Rita Süssmuth über Integration"Wir sind multikulturell"

Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) hofft auf eine Zuwanderung wie in Kanada. Die Debatte um Integrationsverweigerung sei "rückwärtsgewandt".

Gut in die Landschaft integriert: Info-Zentrum von Cheticamp in Kanada. Bild: dpa
Anna Lehmann
Interview von Anna Lehmann

taz: Frau Süssmuth, am Freitag wird in Istanbul der Grundstein für die erste Deutsch-Türkische Universität gelegt, deren Aufbau sie koordinieren. Wie passt das in die aufgeheizte Integrationsdebatte?

Rita Süssmuth: Von dieser Grundsteinlegung geht das Signal aus, dass Deutsche und Türken sehr wohl konstruktiv miteinander handeln können. Die gegenwärtige Diskussion um Integrationsverweigerung ist rückwärtsgewandt und führt uns nicht in die Zukunft. Man kann nichts Schädlicheres tun, als bestimmte Migrantengruppen zu diffamieren und für die Zukunft auszugrenzen.

Sie spielen auf Seehofers Äußerungen an, dass Deutschland keine Türken und Araber mehr brauche. Und wie sehen Sie Merkels Äußerungen, Multikulti sei gescheitert?

Ich setze dagegen: Wir sind eine multikulturelle Gesellschaft. Nicht nur nebeneinander, sondern auch miteinander. Das ist mit Chancen, aber auch mit Problemen verbunden.

Die Stimmung kippt gerade. Wie beeinflusst das die deutsch-türkischen Beziehungen?

Bild: dpa
Im Interview: 

Rita Süssmuth, 73, war von 1988 bis 1998 Bundestagspräsidentin. Sie koordiniert heute den Aufbau der Deutsch-Türkischen Universität in Istanbul.

Ich bin froh, dass die türkische Seite so gemäßigt reagiert. Sowohl Türken als auch Deutsche wissen, dass es noch Integrationsprobleme gibt. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass unsere künftigen Eliten auch aus diesen Migrantengruppen hervorgehen werden.

Hat Deutschland zu wenig für die Integration getan?

Integrationspolitik war 40 Jahre lang gar kein Thema. In dieser Zeit wurde viel versäumt. Dennoch hat sich seitdem die große Mehrheit in Eigenanstrengung und mit Hilfe der Zivilgesellschaft bei uns eingelebt und integriert. Wir hätten Zuwanderung längst qualitativ steuern können. Wir haben uns bereits vor zehn Jahren in der Zuwanderungskommission darüber Gedanken gemacht, wie wir qualifizierte Menschen aus dem Ausland holen können. Doch jetzt müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die am besten ausgebildeten Migranten, die unser Land jedes Jahr verlassen, an Deutschland binden können.

Wie kann das passieren?

Zum einen müssen wir ihre Qualifikationen wertschätzen, indem wir sie entsprechend ihrer Ausbildung in die Berufswelt einordnen. Noch viel wichtiger ist jedoch eine Wertschätzung ihrer Kultur. Zurzeit wird die Mehrheit der Muslime mit jenem politisierten Islam gleichgesetzt, der von der großen Mehrheit der Muslime abgelehnt wird.

Wie sehen Sie die Chancen, dass Ihre Vorschläge aus der Zuwanderungskommission von 2001 doch noch umgesetzt werden?

Mich erinnern die Debatten an die Zeit vor zehn Jahren. Auch heute wird auf die Forderung nach Zuwanderung mit den gleichen Abwehrmechanismen reagiert. Aber der demografische Wandel ist viel sichtbarer. Deutschland schafft sich nicht ab, aber wir müssen uns stärker darum kümmern, die jungen Menschen im Land zu qualifizieren. Gleichzeitig brauchen wir nach wie vor eine gesteuerte Zuwanderung nach Berufsqualifikation, Sprachkenntnissen und Beziehung zu unserem Land. Da bildet das Punktesystem Kanadas eine gute Grundlage.

Ist Ihre Partei reif dafür?

Ich hoffe, mehr als damals. Sonst würden wir die Zukunft verspielen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • NC
    @nothing changed

    Sie brauchen nicht persönlich werden.

     

    Ihr Kommentar passt nicht zur Türkei.

     

    Wir reden hier nicht über eine Uni in Afrika.

     

    Wir reden hier über eine Uni für ein Land das BOOMT. Zweistellige Wachstumsraten!! Schwellenland!! EU-Mitgliedskandidat!!!

     

    Was genau hat das mit dem Kolonialismus (Türkei Kolonie von wem???) zu tun? Die Türkei ist übrigens nicht die 3. Welt!!!

     

    Darüber hinaus präsentiert sich die Türkei STOLZnach außen, um nicht zu sagen NATIONALSTOLZ.

    Das ist auch okay, aber dann baut man seine Uni eben selbst.

  • NC
    nothin' changed

    @herbert "tatsächlich haben wir türkisch geprägte Islam-Külti"

    schreibst du aus der türkei? du bleibst ein wenig missverständlich, denn das thema hier dreht sich um deutschland, das überwiegend von deutscher, evtl gefolgt von europäischer & usa-kultur geprägt ist

     

     

    franziska.qu: klar ist die notorische unterbesetzung im pflegebetrieb unschön bis desaströs - nur was hat das mit "multikulti" (bzw pro/contra bzw migration) zu tun?

     

     

    @damals: "Was soll´s ich meistere mein Leben trotzdem und das ohne Transfer aus fernen Ländern... da wäre ich zu stolz."

    und ich bin stolz, dass deutschland nicht drittgrößter waffenexporteur ist und wir somit nicht alle von krieg & zerstörung in aller welt profitieren... junge, dein ganzer lebensalltag ist so eng mit transfers aus fernen ländern verknüpft, dass er davon getrennt nicht mal gedacht werden kann.

    was sich hinter begriffen wie entdecker- & eroberungsgeschichte, '3.welt', sklaverei, kolonialismus und postkolonialismus verbirgt, heißt u.a., dass menschen sterben und nicht mal genug zum essen haben, während du satt vorm rechner sitzt und was von 'selbst das leben meistern' faselst.

    mann da lachten ja die hühner, wenns nicht so unverschämt und ignorant wär...

  • D
    Damals

    Witzig. In den 90iger Jahren mussten wir auf dem Gymnasium in einsturzgefährdeten Sporthallen Schulsport machen.

     

    Manchmal tropfte es auch durch die Decke. Wir haben dann Mülleimer aufgestellt und konnten dann so eine Art Zick-Zack-Lauf um die Tonnen machen.

     

    Für die Renovierung war kein Geld da. So langsam beginne ich zu verstehen.

     

    Was soll´s ich meistere mein Leben trotzdem und das ohne Transfer aus fernen Ländern. Ich möchte nicht tauschen mit den Türken. Müssen sie sich eine Uni schenken lassen. Ich gebe zu, da wäre ich zu stolz.

  • F
    franziska.qu

    Frau Süßmuth, das war doch die, die unter Schröder 1998 als Leiterin einer sogenannten Zuwanderungskommission den Fachkräftemangel in der Pflege ausrief. Real gab und gibt es natrülich für die pflegerischen Aufgaben in Altenheimen und Krankenhäusern zuwenig Pflegefachkräfte. Allerdings nicht, weil die Fachkräfte nicht da gewesen wären/ da wären, sondern weil strikte, von 'oben' vorgegeben Personalschlüssel die Grenze setzten/setzen. Auf Druck der Ärzte in den Krankenhäuser mußte vor der letzten Bundestagswahl Ula Schmidt zugeben, dass es nicht so wäre, dass die Schwestern nicht da wären. Es wurden deren Stellen aber um 50000 reduziert. Soweit zur Kompetenz von Frau Süßmuth. Nun faselt sie was vom tollen Multikulti? Ausgerechnet sie? Aber dieses ungeheure Defizit im Umgang mit der Realität hat ja alle Politiker und Medienleute befallen. Und eine Revision bei der Konfrontation mit den realen Gegebenheiten verweigern sie beharrlich. Sie wollen recht haben, wie das trotzige Kleinkind.

    P.S. Und wiedereinmal wird so ein Kommentar von mir der Zensur der zentralen und geheimen Sprachregelungsbehörde zum Opfer fallen.

  • MA
    Monsieur Achi

    @von herbert:

    ich weiße nicht, was für eine Bildung Sie haben, habe ich das Gefühl Sie verstehen nicht, was Sie lesen. Von Islam geprägte Kultur kann gar keine Rede sein. Das hat niemand behauptet. Mache Türkenhasser wollten so verstehen. Es ist Realität dass die Türken bwz. Islam ist in Deutschland angekommen. Deshalb gehört das Islam auch Deutschland. Es spielt keine Rolle, ob es nicht gefällt oder nicht. Das ist Fackt. Durch die Beleugnung der Fakten hat niemand was erreicht. Durch das Geschwätz von Merkel und von Seehofer wird es auch nicht ändern. Mit solchen Geschwätz kommt man höchsten beiden naiven Menchen an.

    Deutsche Kultur ist auch nicht judisch geprägt. Wenn es wirklich so wäre, hätten die 6 Mio. Juden nicht umgebracht. Trickreiche Politiker versuchen mit solchen Aussagen Juden gegen Islam auszuspielen.

    Das Spielchen haben die Juden durchgeschaut. Deshalb kritisiert Herr Krämer deutsche Politiker.

  • MA
    Monsieur Achi

    Ich schätze Frau Süßmuth sehr. Vieles ist richtig was Sie sagt. Als aktiver Politiker war Sie realistisch, was man von heutigen Politikern nicht behaupten kann.

    Als ich vor 34 Jahren um zu studieren nach Deutschland kam, hat man alles unternommen mich zu verhindern. Als man mich ersmal beschimpft hat, war ich 3 Tage in Deutschland. ich habe die Deutschen nicht anders kennengelernt. Mitlerweile habe ich studiert und arbeite ich in meinem Beruf. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich hier herzlich Willkommen bin. Nun bin ich soweit, dass ich sogenannten Fachkräfte aus meinem Heimat abrate nach Duetschland zu kommen.

    Deutschen geben sich gerne ein offenes Land, sind sie aber nicht. Sie lehnen alles ab, was nicht ihrem Bild paßt. Ein offene Gesellschaft sieht ganz anderes aus. Sowas gibt nur in Orient aber nicht Europa. Deshalb stehe ich gegenüber der Bemühungen von der Frau Süßmuth skeptisch. trotztdem wünsche ihr viel Erfolg.

  • H
    herbert

    Diese Frau lebt, wie die meisten Politiker, in einer Parallelgesellschaft. Von Multi-Kulti gab es nur das krankhafte Zerrbild einer Vision, tatsächlich haben wir türkisch geprägte Islam-Külti.

     

    Es entsteht der Eindruck, das durch die gebetshafte vorwärtsgewandte Sichtweise von den nur lapidar genannten Problemen und den begangenen Fehlern abgelenkt werden soll um sich diesen nicht stellen zu müssen.

  • K
    Kneisel

    Ich bin wirklich alles andere als konservativ gesinnt, bin aber doch froh solche Töne, wie die von Frau Süssmuth zu hören, weil damit endlich sichtbar wird, dass es innerhalb des rechten Lagers (was ja leider noch einige Zeit die Geschicke unseres Landes bestimmen wird) auch ganz andere Meinungen zum Thema Integration gibt.

    Vielen Dank der Redaktion für die Veröffentlichung dieses Interviews. Das kann man dann gut den ewig rückwärts Ggewandten unter die Nase halten.

  • S
    Scheisschrist

    Wieder eine Quasseltante die unsere Realität nicht sehen will aber vor meiner Haustür ist islamisierung und Deutschenfeindlichkeit real,und vom versprochenen Multikulti ist nur Türkische Monokulti mit grauen Mäntel und Kopftuch zu sehen.

  • E
    ex-canadier

    in canada ,z.b calgary, is es auch nicht besser als hier. immigrandenarbeiter bekommen nur niedriglöhne und unter ihren kindern gibt es regelrechte bandenkriege.die haben die selbe situation wie hier den dort will man sich auch nicht integrieren, kein englisch trotz 15 jahre schon im land und masive gettobildungen. die probaganda hat sich die politpresse einfallen lassen.

  • A
    Amos

    Blah, Blah, und tausendmal blah, blah. Die reden und reden und reden, aber nichts geschieht. Das sind die sogenannten Leistungsträger der Gesellschaft: Blah,blah.Jahrzehntelang schlafen, dann plötzlich aufwachen, blah, blah und dann weiter schlafen. Wenn sich hier Menschen fest integriert haben, so ging das doch von denen selbst aus. Die Politik hat bestimmt nichts dazu beigetragen.Das einzige wozu die Politik beigetragen hat sind Ghettos und Hungerlöhne-,Suppenküchen für "Globalisierungs-Opfer" und Villen für Wirtschaftskrimminelle. Der Neoliberalismus ist eine Missgeburt an deren Nabelschnur die arbeitende Bevölkerung allmählich erdrosselt wird.Zuwanderung bedeutet weiteres Lohndrücken. Die Industrie hatte Zeit genug Einheimische auszubilden. Weil der alles zu teuer, geht sie wieder mal den bequemsten Weg auf Kosten anderer. Und "Blah, Blah" schaut zu-,schaut auf die Parteispenden und Nebeneinkünfte.