■ Cash&Crash: Risiko: Neuer Markt
Berlin/Frankfurt (taz/rtr) – Hoch her ging es am Montag abend auf dem Börsenparkett des Neuen Marktes. Zu feiern gab es die Eröffnung der ersten deutschen Risikokapitalbörse in Frankfurt. Dort können Aktien von jungen, aufstrebenden Unternehmen gehandelt werden aus Branchen wie Computer, Biotechnologie, Telekommunikation und allem anderen, was nach Zukunft klingt.
Kleiner Haken: Bislang stehen erst zwei Aktien zur Auswahl, nämlich von der Servicegesellschaft für Mobilfunk MobilCom und vom Ingenieurdienstleister Bertrandt. Vielleicht kommt schon bald die Utimaco Software AG dazu. Und ganz vielleicht werden es, hofft Werner Seifert, Vorstand der Deutschen Börse AG, bis Jahresende sogar 20 Firmen.
Trotz der Winzigkeit des neuen Börsenablegers zeigte sich das Börsenmanagement betont zufrieden. Immerhin wurden die Aktien des Börsenneulings MobilCom um das 100fache überzeichnet, der Kurs stieg zwischendurch vom Ausgabepreis von 62,50 auf 105 Mark.
Richtiggehend lyrisch wurde Dresdner-Bank-Vorstand und Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Börse, Gerhard Eberstadt: Der Handelsbeginn am Montag sei „die Geburtsstunde der Liaison zwischen jungen Unternehmen und wagnisbereiten Kapitalgebern“. Die Firmen könnten am Neuen Markt die Aufmerksamkeit risikofreudiger und profitorientierter Anleger auf sich konzentrieren und durch die Aktienausgabe Kapital für neue Investitionen beschaffen. Die Anleger wiederum würden gern zu den Aktien am Neuen Markt greifen, weil sie dort leichter Risiken und Chancen abwägen könnten. So müssen die dort notierten Unternehmen nach den strengeren internationalen Richtlinien bilanzieren und einmal im Quartal ihre Finanzen offenlegen.
Wirtschaftsminister Günter Rexrodt pries die Börsenmanager, weil sie zur Finanzierung für innovative Unternehmen des Mittelstandes beitrügen. Börsenchef Seifert sekundierte, daß allein die derzeit 20 Kandidaten für den Neuen Markt zusammen bereits 4.300 Arbeitsplätze geschaffen hätten und noch viel mehr schaffen würden, wenn sie das Kapital für Investitionen erhielten.
Kritiker merken an, daß weder MobilCom, das auch ohne Neuen Markt bereits einen Umsatz von 265 Millionen Mark erzielte, noch die 20 Jahre alte Firma Bertrandt, die schon längst an der Börse vertreten war, gute Beispiele für junge, kleine Firmen, deren Wachstum erst bevorsteht, seien. An der deutschen Börse würde eben immer mehr auf Sicherheit als auf Wagnis gesetzt.
Insofern sei der Neue Markt noch sehr weit entfernt von seinem großem Vorbild, der US- Börse Nasdaq, an der etwa Apple und Microsoft groß wurden. Allerdings solle Nasdaq sowieso nur bedingt als Muster herhalten, meint Börsenvorstand Reto Francioni. Die Risikokapitalbörse, an der jetzt 5.000 Unternehmen gehandelt werden, brauchte zehn Jahre, bis 1985, um aus den Startlöchern zu kommen. lieb
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