Risiken im Journalismus: Im Kriegsgebiet

Kriegsreporter nehmen Risiken auf sich, die keiner tragen kann. Aber ohne eigenen Augenschein sind wir den Lügen der Krieger ausgeliefert.

Am 22. Februar wurde der französische Kriegsfotograf Remi Ochlik, hier zu sehen bei Protesten in Ägyptens Hauptstadt Kairo im November 2011, in Syrien getötet. Bild: reuters

Der Beruf des Reporters gehört zu den gefährlichsten der Welt. Die laufende Zählung getöteter Journalisten auf der Welt durch die Organisation Reporter ohne Grenzen liegt für das Jahr 2014 bisher bei 54; Syrien liegt mit 11 getöteten Journalisten an der Spitze. Unterschiedlichen Auflistungen zufolge sind in Syrien seit Beginn des Bürgerkrieges zwischen 110 und 153 lokale und ausländische Journalisten ums Leben gekommen.

Verantwortung für die Berichterstattung

Für eine Zeitung wie die taz, bei der die Vor-Ort-Berichterstattung aus aller Welt einen besonderen Stellenwert einnimmt, stellt das eine besondere Grundsatzfrage dar. Ist es verantwortbar, Mitarbeiter in Gebiete oder Umstände zu entsenden, in denen ihnen Lebensgefahr droht? Wenn man keine eigenen Mitarbeiter losschickt: Wie verhält man sich gegenüber freischaffenden Journalisten, die sich auf eigene Verantwortung ins Kriegsgebiet begeben haben?

Ist es verantwortbar, Beiträge zu veröffentlichen, deren Zustandekommen mit hohen Risiken verbunden sind, welche man als Zeitungsverlag aber nicht übernimmt? Aber ist es nicht noch schlimmer für den Reporter, unter Verweis auf dieses Dilemma seine Arbeit abzulehnen, nachdem er schon die Kosten dafür trägt?

Wer einen Auftrag erteilt, trägt das Risiko

Es gibt auf diese Fragen nicht die eine, allgemeingültige Antwort. Grundsätzlich gilt die Regel: Wer einen Auftrag erteilt, übernimmt das Risiko. Eine Zeitung, die jemanden in den Krieg schickt, muss die damit einhergehenden Risiken abdecken können – aber auch die größten Medienkonzerne der Welt können nicht alles selbst schultern bis hin zu Verhandlungen und Lösegeldzahlungen in Millionenhöhe im Falle einer Geiselnahme. Ein Journalist, der ohne Auftrag in den Krieg zieht, weiß, dass er keinen Anspruch darauf geltend machen kann, im Notfall herausgehauen zu werden – aber im Notfall wird natürlich jeder, der mit diesem Journalisten zu tun hatte, das Mögliche tun.

Ausnahmen bestätigen die Regel

Die taz hat entschieden, Angebote freier Reporter aus Syrien grundsätzlich abzulehnen, weil sie keinen Anreiz für Journalisten bieten will, sich in Lebensgefahr zu begeben, und auch, weil Fakten in vielen Fällen nicht nachprüfbar sind. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel, wie die beeindruckende Reportage aus Aleppo zeigt, die vor einer Woche in der taz.am wochenende stand. Und während bei einer Entsendung von taz-Mitarbeitern in ein Kriegsgebiet Risiken und Gefahren vorab sorgfältig abgewogen werden können, entstehen gefährliche Situationen oft in anderen, banalen Zusammenhängen: an Straßensperren, die man jeden Tag problemlos passiert und wo dann plötzlich doch jemand das Feuer eröffnet; oder in außer Kontrolle geratenden Straßenprotesten.

Gefahren kennen und ihnen begegnen

Es gibt natürlich Möglichkeiten, Risiken zu minimieren. Reporter sollten sich in den Gebieten und mit den Menschen auskennen, über die sie berichten wollen; sie sollten gute lokale Kontakte haben, die ihnen im Notfall zur Seite stehen; sie sollten kein leichtsinniges Heldentum an den Tag legen, sich nicht mit einer Seite gemein machen, ihren Status immer offenlegen und sich absichern, auch wenn das auf Kosten des Nervenkitzels geht. Redaktionen sollten ebenfalls Orts- und Themenkenntnis haben, die Arbeitsweise und wichtigsten Kontakte des Reporters selbst kennen, über seine Arbeit, Bewegungen und Pläne auf dem Laufenden sein um im Krisenfall sofort an der richtigen Stelle Alarm schlagen zu können.

Wenn all dies gewährleistet ist, kann am Ende auch eine erstklassige Kriegsberichterstattung herauskommen. Denn eines geht nicht: Sich aus Vorsicht vom Anspruch verabschieden, durch eigenen Augenschein die Verhältnisse zu verstehen. Wenn Journalisten in Kriegsgebieten heute gefährdeter sind als früher, dann genau deswegen: weil journalistisches Handwerk unbequeme Wahrheiten an den Tag fördert und die Handwerker zum Schweigen gebracht werden sollen. Umso wichtiger, die Gefahren dieser Arbeit zu kennen und ihnen zu begegnen.

Dominic Johnson leitet das Auslandsressort der taz