Ringen in Deutschland: Angst vorm Untergang
Traditionsvereine wie Schifferstadt, Weingarten und Nendingen haben große Finanzsorgen. Die Bundesliga schrumpft.
Niemand, sagt Ralph Oberacker, könne ihm erzählen, dass Dart interessanter sei als Ringen. Dass der Kneipensport aus England mittlerweile ein weltweites Fernsehereignis ist, eine olympische Kernsportart in Deutschland hingegen kaum noch überleben kann, ärgert den Vorsitzenden des SV Germania Weingarten.
Die Vorfreude auf die Finalkämpfe um die Deutsche Meisterschaft der Ringer-Bundesliga, die an diesem Samstag für die Germania mit dem Auswärtskampf beim alten Rivalen ASV Nendingen beginnen, will sich Oberacker aber trotz der zuletzt wieder einmal schlechten Nachrichten nicht nehmen lassen.
Nach dem Abstieg des KAV Mansfelder Land gaben jüngst der KSV Schriesheim und nach über dreißig Erstligajahren auch die RWG Mömbris/Königshofen aus finanziellen Gründen ihren Rückzug aus der Bundesliga bekannt. Damit starten kommenden Herbst nur noch neun Mannschaften in einer eingleisigen Bundesliga. Der Vorschlag der verbliebenen Erstligaklubs, zusammen mit den Zweitligisten vier regionale Staffeln zu bilden, wurde jüngst beim Verbandstag des Deutschen Ringer-Bunds (DRB) nicht beachtet.
„Die Lage ist bedrohlich, vor zehn Jahren hat es noch zwanzig Erstligavereine gegeben“, warnt Oberacker. Auch die Teams aus Adelhausen, Luckenwalde und Schifferstadt dachten über einen Rückzug nach, entschlossen sich dann aber doch, „das Wagnis“, wie die Schifferstädter Ringerlegende Markus Scherer sagt, weiter einzugehen. Auch er befürchtet ein „Ausbluten“ der Bundesliga.
Bloß nicht umsonst
Scherer, 53, Trainer des Bundesligisten VfK 07 Schifferstadt, weiß, wovon er spricht. Im dritten Jahr ringen die Pfälzer nun wieder erstklassig, nachdem sie 2007 in die Insolvenz mussten. Die Schifferstädter bleiben der Bundesliga erhalten, weil sie keinem ihrer selbst ausgebildeten deutschen Nachwuchsringer den Gang in die Oberliga zumuten wollten. „Und wir hatten schon eine zweite Chance, eine dritte hätten wir nicht bekommen“, glaubt Scherer, Olympia-Silbermedaillengewinner 1984 in Los Angeles.
Die schwierige Aufbauarbeit nach der Insolvenz soll nicht umsonst gewesen sein. Scherer erklärt: „Wir haben lange gebraucht, uns wieder heranzutasten, das wollten wir nicht aufgeben.“ Rund 200.000 Euro investiert der VfK in die Bundesligamannschaft.
Die Budgets der Finalteilnehmer werden auf das Doppelte (Weingarten) oder gar Dreifache (Nendingen) geschätzt. Die Vereine trügen auch eine Mitschuld an der Misere, sagt Scherer, weil sie an der Preisspirale drehten. Sechs deutsche Ringer sind ab der Saison 2017/18 vorgeschrieben, in der neuen Saison sind noch fünf im Zehnerteam verbindlich.
Kein gemeinsamer Sponsor
Die Ausländerplätze werden von Welt- und Europameistern vorwiegend aus Osteuropa belegt. Sie machen die Bundesliga zur sportlich besten Liga der Welt. Die Vereine überbieten sich gegenseitig im Wettlauf um die Verpflichtung der internationalen Spitzenleute. „Die Preistreiberei, die auch wir betrieben haben, tut der Gesamtstruktur nicht gut“, gibt Ralph Oberacker zu. In der Szene wird gemunkelt, dass manche Vereine schon wieder Antrittsprämien von 2.500 Euro aufwärts für Topstars zahlen.
Für die Verpflichtung von Ausländern müssen die Klubs Lizenzgebühren beim europäischen Verband Cela zahlen. Für einen Olympiasieger oder Weltmeister sind rund 2.500 Euro fällig, bei manchen Klubs machen allein diese Lizenzen um die 20.000 Euro aus.
Dennoch sieht Oberacker vor allem den DRB in der Pflicht. Die Liga krankt schon lange daran, keinen großen, gemeinsamen Sponsor zu haben. Was Vermarktung angeht, stecke der DRB noch in der Steinzeit, ätzt er. Nur rund 30.000 Euro brachten die Erlöse für die TV-Rechte von SportA. Auch dass alle drei Zweitliga-Regionalmeister lieber zweitklassig bleiben, sei ein hausgemachtes Problem. Weil keine Aufstiegspflicht bestehe, fehle der sportliche Anreiz und der Druck von unten, meint Oberacker. Warum DRB-Präsident Manfred Werner die zweite Liga als „unantastbar“ bezeichnet, ist sowohl Oberacker als auch Scherer ein Rätsel.
Oberacker glaubt, man müsse dem Ringen einen gebührenden Rahmen geben; nur wegen des Sports käme kaum ein Zuschauer. In Weingarten funktioniert das Modell, weil sie dort 2007 eine moderne Ringerhalle mit Gaststätte, VIP-Raum und eigenem Barbetrieb bauten. Und wenn der ASV Nendingen nächste Woche zum Finalrückkampf kommt, wird in einem riesigen Zirkuszelt neben der Halle gerungen, wie schon in den Jahren zuvor. All das mache den Sport vielleicht nicht besser, sagt Oberacker, aber ohne ein klein wenig Spektakel gehe es eben nicht mehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!