Weltmeister mit neuem Trainingsort: Ringer wegen Zoff im Kuhstall

Frank Stäbler trainiert nicht mehr in der Sporthalle, weil er mit seinem Verein, dem TSV Musberg, zerstritten ist. Er spricht von „Missgunst“.

Zwei Männer ringen, im Hintergrund ein Traktor

Ein Hüftwurf mit Traktor-Kulisse Foto: dpa

Mit kräftezehrenden Kämpfen kennt sich Frank Stäbler bestens aus. Bereits mit fünf Jahren begann der aus Musberg bei Stuttgart stammende Junge mit dem Ringen. Zweimal – 2015 und 2017 – wurde er Weltmeister im griechisch-römischen Stil. Doch seinen schwersten Kampf muss er momentan zu Hause bestreiten. Sein Verein TSV Musberg erschwert ihm das Training.

„Ich liebe meine Heimat“, sagt Frank Stäbler. Damit meint der 28-Jährige Deutschland, aber ganz speziell seine Heimat Musberg. In der Teilgemeinde von Leinfelden-Echterdingen ist er aufgewachsen, da hat er seine Freunde. Und da hat er vor allem seine sportliche Heimat, mit Trainer Andreas Stäbler (weder verwandt noch verschwägert) und seinen Trainingskollegen. Gemeinsam haben sie den „Trainingsstützpunkt Stäbler“ eingerichtet. Dies war ein guter Nährboden für den 1,74 Meter großen Athleten. Zwei WM-Titel waren die Folge – einmal im Leichtgewicht (bis 66 kg), einmal im Weltergewicht (bis 71 kg).

Doch mittlerweile ist die Atmosphäre vergiftet. Beim TSV Musberg wird heftig gekämpft – mit Worten. Auf der einen Seite Frank Stäbler und sein Trainer, auf der anderen Seite Joachim Beckmann, der Vorsitzende des Klubs. Von „Neid und Missgunst“ spricht der Ringer, wenn er über die Attacken erzählt. Andernorts würde die Halle längst den Namen des erfolgreichsten Athleten des Vereins tragen. Beckmann aber verabscheut „Personenkult“. Deshalb musste ein Transparent aus dem Trainingsraum entfernt werden, auf dem 2012 die Ringer-Freunde Stäbler zum Gewinn des EM-Titels gratuliert hatten.

Zwei Tage nach seinem ersten WM-Titel in Las Vegas habe er eine Mail von Beckmann bekommen. Doch darin habe ihm der Klubchef nicht zum großen Triumph, dem ersten Titel eines deutschen Ringers nach 21 Jahren, gratuliert, sondern ihm mitgeteilt, dass Coach Stäbler eine Abmahnung wegen „vereinsschädigendem Verhaltens“ erhalten habe. Auch Stäblers Mutter Michaela, die in der Ringer­abteilung mithalf, war abgemahnt worden. „Ich bin bei meiner Prüfung auf Sachen gestoßen, die kreativ bis manipulativ waren“, berichtet Beckmann über finanzielle Unregelmäßigkeiten. Wegen der Vorwürfe der Steuerhinterziehung gegen die Ringerabteilung musste sich der TSV-Vorstand im Januar nach Androhung einer Strafanzeige entschuldigen.

Die Ringer hatte zu diesem Zeitpunkt längst reagiert, hatten einen neuen Verein gegründet. Den KSV Musberg. Die meisten von ihnen jedoch, auch Frank Stäbler, blieben Mitglied im TSV. Trotzdem wurden der Gruppe als Konsequenz daraus die Trainingszeiten in der städtischen Sporthalle drastisch eingeschränkt. „Ich darf bis 16 Uhr und nur mit einem Trainingspartner in die Halle“, klagt der Ringer, „um diese Zeit arbeitet meine Partner aber noch und ich brauche eine Gruppe, um erfolgreich arbeiten zu können.“

Zum Glück hat Familie Stäbler auf dem heimischen Bauernhof eine große Halle, in der früher mehr als 100 Kühe lebten. Seit der Aufgabe der Milchwirtschaft steht die Scheune leer. In die hat der KSV Musberg eine zwölf mal zwölf Meter große Matte gelegt. Zwischen Traktoren und Heuballen kann sich der Doppelweltmeister auf die anstehenden Aufgaben einschließlich der Titelverteidigung bei den Weltmeisterschaften in Budapest (24./25. Oktober) vorbereiten. Und natürlich die Olympischen Spiele 2020 in Tokio.

Wachsende Sorge beim Deutschen Ringer Bund

Beim Deutschen Ringer Bund (DRB) betrachtet man den Streit in Musberg durchaus mit wachsender Sorge. „Frank weiß, was er braucht, um optimal zu trainieren“, sagt Sportdirektor Jannis Zamanduridis. Falls jedoch die Vorbereitung auf das Großereignis WM unter dem Zwist leiden sollte, „dann müssen wir im Sinne des Sportlers eingreifen und eine tragbare Lösung finden“. An Alternativen fehlt es nicht. Der DRB hat mehrere Stützpunkte. Auch die Red Devils Heilbronn, für die Stäbler in der Bundesliga ringt, haben ihm schon mehrfach „Asyl“ angeboten. Aber Stäbler will dies nicht. „Ich brauche meine Familie und mein Trainingsumfeld um erfolgreich zu sein“, sagt der junge Familienvater.

Für Ende Juni hat der TSV Musberg zu einer Mitgliederversammlung eingeladen. Da soll über die Zukunft der Sportart Ringen im Klub entschieden werden. Davor will auch die Stadtverwaltung nicht in den Streit eingreifen. Sie hat immerhin das Hausrecht über die einzige Sporthalle in der Teilgemeinde.

Trotzdem drängt die Zeit. In wenigen Wochen, wenn das Getreide geerntet wird, wird die Trainingshalle auf dem Stäbler’schen Hof wieder als Lagerhalle benötigt. Dann verliert Frank Stäbler zu Hause ein Stück Heimat.

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