: Riesenreibach Olympia
■ Olympia GmbH legt Finanzkonzept vor: „190 Millionen Mark Gewinn“/ Olympiagegnerin Demba: „Taschenspielertrick“
Berlin (dpa/taz) — Das am Dienstag von der Olympia GmbH vorgelegte Finanzkonzept hat erneut den Streit zwischen Befürwortern und Gegnern der Bewerbung für die Olympischen Spiele im Jahr 2000 in Schwung gebracht. Während Olympias Vorturner, Berlins Bürgermeister Diepgen, nachdrücklich die Solidität der vom Wirtschafts-Experten Wolfgang Maennig vorgestellten Studie lobte, konterte Berlins schärfste Olympia-Kritikerin Judith Demba von der Fraktion Bündnis 90/Grüne mit Begriffen wie „Mogelpackung“ oder „Taschenspielertrick“.
Auslöser des noch im Anfangsstadium befindlichen öffentlichen Disputs ist die Trennung der „olympia-bedingten“ von den „nicht-olympia-bedingten“ Kosten im Konzept. So werden die aus Sicht des Gutachters reellen Olympia-Kosten mit 3,277 Milliarden Mark veranschlagt. Denen stehen Investitionskosten durch Bund und Senat in Höhe von 7,922 Milliarden gegenüber. Hauptposten sind der Neubau des olympischen Dorfes (4,2 Milliarden Mark), die Erweiterung des Messegeländes (1,7 Mrd), Verkehrsinvestitionen (800 Millionen) sowie die bereits in die mittelfristige Stadtplanung aufgenommenen fünf Sporthallen, die, so hat der olympiaverrückte Berliner Senat vorsorglich beschlossen, auch ohne Olympia in Berlin gebaut werden. Damit werden Tatsachen geschaffen, die beim IOC, das im September 1993 über die Vergabe entscheidet, Eindruck schinden können. Ob Berlins vordringliches Problem tatsächlich ein neues Velodrom oder eine neue Turmsprunghalle ist, darf indes bezweifelt werden, ebenso wie die Tatsache, daß ein olympisches Dorf die Wohnform ist, die sich Berliner Bürger wünschen.
Aus den olympia-bedingten Kosten herausgenommen wurden gleichfalls die Modernisierung des Fußball-Stadions „Alte Försterei“, sowie das auf privaten Mitteln fußende Projekt der großen Olympia-Mehrzweckhalle.
„Die Kosten für Olympia mit den ohnehin nötigen Investitionen zu vermengen, hieße Äpfel und Birnen zusammenzuzählen“, verteidigte Maennig seinen Ansatz. „Mir wurde vom Senat sogar vorgeworfen, ich würde die olympia- bedingten Kosten zu hoch ansetzen, denn Berlin brauche auch ohne Olympia viel mehr Sportanlagen.“
Nun bleibt es den Politikern — vor allem dem Kanzler und der Bundesregierung — überlassen, die Kosten-Abgrenzung zu akzeptieren. Kohl erhielt das Konzept am Dienstag, läßt es derzeit überprüfen und will sich erst anschließend äußern.
„Gerade auf die korrekte Abgrenzung kam es uns an. Es kann nicht sein wie noch 1972 in München, als man die U-Bahn den olympia-bedingten Kosten zuschlug. Die Bahn fährt doch schließlich heute immer noch“, erklärte Maennig. „Hingegen ist der Olympia-Express eine Investition, die ohne Olympia in Berlin in dieser Form nicht getätigt würde“, so Maennig. Sein neuer Ansatz ist der Hauptgrund, warum einer Studie der Berliner Bank, die noch ein Milliarden-Defizit errechnete, nun der 190-Millionen-Gewinn gegenübersteht. „Die Studie ist zwei Jahre alt. Inzwischen darf man die Einnahmen höher ansetzen“, sagt Maennig.
Sein Gutachten weist Erlöse in Höhe von 3,467 Milliarden Mark aus, wobei die 1,4 Milliarden aus Münzen den dominierenden Part ausmachen.
Auch dieser Fakt könnte für Olympia-Gegner zum Angriffspunkt werden, die Summe erscheint sehr hoch. Aus TV-Rechten sollen 571 Millionen Mark, aus dem Marketing 813 Millionen in die Kassen fließen.
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