Richtungsstreit: Wer kauft die arisierte Villa?
Der Konflikt zwischen verschiedenen Gruppierungen in der Jüdischen Gemeinde droht den Verkauf der Villa "Ro 19" durch die GEW zu verhindern.
![](https://taz.de/picture/296532/14/cyber_N4_bistritzky.jpg)
Die Jüdische Gemeinde streitet darüber, wer die zur Nazizeit arisierte Villa in der Rothenbaumchaussee 19 kaufen soll. Noch am Montag hatte der Vorsitzende der Gemeinde, Ruben Herzberg, einen Plan präsentiert, nach dem die Besitzerin, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), bereit sei, die Gründerzeitvilla für nur zwei Millionen Euro an einen jüdischen Unternehmer zu verkaufen - nach GEW-Angaben 20 Prozent unter dem Schätzwert. Der Investor wolle das Erdgeschoss auf mindestens zehn Jahre kostenlos der jüdischen Gemeinde überlassen, so Herzberg. Die restlichen Stockwerke sollten an die noch heimatlose "Akademie der Weltreligionen" der Hamburger Universität vermietet werden.
Für die Lehrergewerkschaft GEW wäre der Herzberg-Plan eine elegante Möglichkeit gewesen, sich einer Immobilie zu entledigen, deren Besitz ihr viel Kritik eingebracht hat. 1935 war das Haus in bester Lage von den jüdischen Besitzern weit unter Wert an den Nationalsozialistischen Lehrerbund verkauft worden. 1954 ging es auf dessen Rechtsnachfolgerin, die GEW, über.
Der Verkauf mache deutlich, dass sich die GEW endlich zu ihrer historischen Verantwortung bekenne, sagte Herzberg bei der Vorstellung seines Plans. Er bitte um Verständnis, dass der Investor seinen Namen bis zur Vertragsunterzeichnung geheim halten wolle.
Doch am Dienstag stand im Hamburger Abendblatt, dass es sich bei dem Investor um Burton Feingold handele, einen Freund Herzbergs und Ehemann der stellvertretenden Gemeindevorsitzenden Karin Feingold. Rabbiner Shlomo Bistritzky vom jüdischen Zentrum Chabad Lubawitsch wurde mit dem Satz zitiert, Herzberg lasse "wertvolle Immobilien an seine Günstlinge verschachern".
Noch in einer Beiratssitzung am Montagabend habe Herzberg nicht verraten wollen, wer der potentielle Käufer sei, sagt Bistritzky, der mit seiner Familie vor sieben Jahren aus Israel nach Hamburg kam. Bereits jetzt sei die Villa in der Rothenbaumchaussee vier oder fünf Millionen Euro wert. Wenn Feingold die Immobilie nach den zehn Jahren wieder abstoße, könne er vielleicht acht oder neun Millionen dafür bekommen. Herzberg habe sein Amt genutzt, um einem Freund ein gutes Geschäft zu verschaffen. "Das finde ich nicht koscher", sagt Bistritzky.
Ruben Herzberg, im Hauptberuf Leiter des Ganztagsgymnasiums Klosterschule, findet, dass die Geschichte nun eine "sehr traurige Wendung" nehme. Niemand habe sich persönlich bereichern wollen. Feingold habe vorgehabt, sich sehr großzügig zu zeigen, und sei von der Kritik "persönlich angefasst". Rabbi Bistritzky sei nicht der Gemeinderabbiner, sondern vertrete nur eine Minderheit. Sein Chabad-Zentrum wolle den Hamburger Juden ihren Glauben wieder näher bringen. Die Meinungen darüber gingen auseinander.
Auch Rabbi Bistritzky habe bei der GEW ein Interesse am Kauf der Villa angemeldet, sagt Herzberg. Er habe sie für sein Zentrum kaufen und mit seiner Familie selbst dort einziehen wollen. In einem Haus wie der Villa in der Rothenbaumchaussee müsse aber "das ganze Spektrum des jüdischen Lebens in Hamburg sichtbar werden", sagt Herzberg. Und dafür stehe nun einmal nicht das Chabad-Zentrum, sondern die Jüdische Gemeinde.
Jetzt ist die Situation verfahren. Nachdem die Kaufpläne öffentlich wurden, melden sich in der Jüdischen Gemeinde immer mehr Leute, die Interesse bekunden, die Villa zu kaufen. Ob Feingold weiter als Investor zur Verfügung steht, ist nicht klar.
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