Richtungsstreit vor Europawahl: Rechtsblock formiert sich
Ungarns Regierungschef Orbán verweigert bei der EU-Wahl dem EVP-Kandidaten Weber die Unterstützung. Nun hagelt es Kritik.
Am Montagabend hatte der 55-Jährige öffentlich gemacht, er werde Manfred Weber, dem Spitzenkandidaten der konservativen Parteienfamilie EVP und deren Fraktionschef, bei der Europawahl die Unterstützung entziehen. Nach monatelangem Gehakel mit dem politischen Rechtsausleger hat er damit eine Entscheidung getroffen, deren Folgen noch nicht abzusehen sind. Der CSU-Politiker Weber habe klargemacht, so Orbán in Budapest, dass er nicht mit den Stimmen der Ungarn Präsident der EU-Kommission werden wolle. Dies schließe jede weitere Unterstützung für Weber aus.
Orbán war für Weber zwar ein Klotz am Bein; nun kann er freier agieren und glaubwürdiger gegen „Nationalisten und Populisten“ Wahlkampf machen. Trotzdem bedeutet der Bruch für Webers angestrebte Kür zum Juncker-Nachfolger ein neues Problem. Die Europäische Volkspartei, für die Weber antritt, verliert Stimmen; im jetzigen Parlament vor der Wahl entfielen 11 Sitze auf Orbáns Fidesz-Partei. Für Weber könnte es also knapp werden.
Nach der letzten Wahlprojektion des Parlaments ist der Vorsprung der EVP vor den Sozialdemokraten auf 31 Sitze geschrumpft. Ohne Fidesz wird er noch kleiner. Webers sozialdemokratischer Herausforderer Frans Timmermans wittert seine Chance. Nach der Wahl im Mai will er versuchen, eine „progressive Allianz“ mit Grünen, Linken und vielleicht Liberalen um sich zu scharen, um selbst Kommissionschef zu werden. Timmermans hofft dabei auch auf seine britischen Genossen. Die dürften nämlich – wenn Großbritannien Ende Mai an der Europawahl teilnimmt – in großer Zahl ins Europaparlament einziehen. Weber hingegen geht leer aus, denn die Tories sind schon lange kein Mitglied der EVP mehr.
Mitgliedschaft ausgesetzt
Allerdings macht der Bruch zwischen Weber und Orbán ein starkes Rechtsbündnis wahrscheinlicher. Der ungarische Premier hat seinen Schritt ausgerechnet bei einem Besuch von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache angekündigt. Zuvor hatte er sich mit dem rechtsextremen italienischen Lega-Chef Matteo Salvini getroffen. Wenn die drei tatsächlich gemeinsame Sache machen und womöglich noch Polen dazuholen, könnte der größte Albtraum von Timmermans und Weber wahr werden: dass die Rechten ihre zersplitterten Kräfte sammeln und das Europaparlament aufmischen.
Bereits im März war die EVP auf Distanz zu Orbáns Fidesz gegangen und hatte die Mitgliedschaft der Partei in der Europäischen Volkspartei (EVP) auf unbefristete Zeit ausgesetzt. Hintergrund waren antieuropäische und antisemitische Äußerungen aus der Partei sowie eine fremdenfeindliche und antisemitische Plakatkampagne gegen den bisherigen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker sowie den ungarischen Milliardär George Soros. Weber hatte daraufhin den ungarischen Regierungschef zu einem Kurswechsel aufgefordert. Als Orbán seine Hetze bekräftigte, wurde er vorläufig von der EVP suspendiert, aber nicht ausgeschlossen.
Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, hatte im März noch vor einem Ausschluss von Fidesz gewarnt. Man müsse darauf achten, dass die EVP zusammenbleibe. Dennoch seien innerhalb der großen Bandbreite der EVP „nicht alle Sonderwege möglich“. Am Dienstag nun bedauerte Dobrindt Orbáns Schritt, machte aber deutlich, dass er „noch nicht das Ende der Eskalationsspirale“ sehe. Dobrindt äußerte sich besorgt über ein mögliches Erstarken der rechten Kräfte in der EU. Die Vorgänge um Orbán seien möglicherweise der Beginn einer Entwicklung, auf die man in ein paar Jahren zurückblicken und sagen werde, dies sei der Auslöser für etwas gewesen, das keiner gewollt habe.
Gelassener bewertet die Lage der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer. Orbán habe einen „gravierenden Fehler begangen“, sagte der 58-Jährige, das Ganze sei aber dessen persönliche Entscheidung. „Reisende kann man nicht aufhalten.“
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