Richtungsstreit in der Linkspartei: Implizit gegen Wagenknecht
Bei der Linken liegen Partei- und Fraktionschefs seit langem im Streit. Der Parteitags-Leitantrag distanziert sich von der Fraktionschefin.
„Partei in Bewegung“ meint etwas anderes als die vor allem von Sahra Wagenknecht favorisierte Sammlungsbewegung: „Die Mitglieder der Linken sind unser Rückgrat und unsere Stärke“, heißt es in dem Leitantrag. „Basis heißt, dass die Partei auf ihren Mitgliedern aufbaut, von unten nach oben. Sie, wir, entscheiden über Forderungen und Programme, über Ziele und Ausrichtung der Linken.“ Dies richtet sich implizit gegen Wagenknecht, der Alleingänge in den Medien gegen die geltende Beschlusslage der Linken etwa in der Flüchtlingspolitik vorgeworfen werden. Die von ihr als Vorbild erwähnte Partei La France insoumise von Jean-Luc Mélenchon ist eher von oben nach unten aufgebaut.
In der Flüchtlingsfrage wiederholt das Papier die geltende Beschlusslage: „Wir wollen das Sterben im Mittelmeer und an den europäischen Außengrenzen beenden. Dafür brauchen wir sichere, legale Fluchtwege, offene Grenzen und ein menschenwürdiges, faires System der Aufnahme von Geflüchteten und einen Lastenausgleich in Europa.“ Wagenknecht hatte sich wiederholt gegen „offene Grenzen“ ausgesprochen. Auf offene Konfrontation mit der Fraktionschefin geht das Papier aber nicht, die innerparteilich umstrittenen Positionen zur EU (weniger oder mehr Kompetenzen für Brüssel?) werden erst gar nicht erwähnt. Damit bleibt offen, ob der Leitantrag in Leipzig en passant abgenickt wird, was für Kipping und Riexinger nur einen kleinen Punktgewinn bedeuten würde, oder zu einer Richtungsentscheidung in der Partei genutzt wird.
Insgesamt ist das Papier von einem starken Oppositionsgestus geprägt. Eigene Fehler werden nicht benannt, stattdessen Vorwürfe an SPD und Grüne erneuert: An keiner Stelle des Koalitionsvertrags würden „die Voraussetzungen des neoliberalen Kapitalismus verschoben“, heißt es darin. „Mit den alten Verfechtern der Agenda 2010“ komme „kein höherer Mindestlohn, kein Ende der sachgrundlosen Befristungen, keine armutsfeste Rente“. Die Grünen würden „so geht nun mal Politik“ sagen, wenn „sie das Grenzregime Europas akzeptieren“. Sie konzentrierten sich „auf grünen Kapitalismus“. Durch das politische System wehe „der Geist von Anpassung und Akzeptanz der Gegebenheiten“, schreibt die Linkspartei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Journalist über Kriegsgefangenschaft
„Gewalt habe ich falsch verstanden“