„Richard III.“ an der Berliner Schaubühne: Im Kampf mit sich selbst
Die Inszenierung von „Richard III.“ bietet eine intime Theatersituation. Bei der Premiere besticht zuvorderst Lars Eidinger in der Hauptrolle.
Das elisabethanische Theater ist halbrund. Es hat hohe Ränge, von denen aus man steil nach unten guckt. Und es hat Plätze, die ganz nah an die Bühne herangerückt sind, die aus einem mit Sand bestreuten Platz besteht, auf dem man gut fechten kann, und aus einem Gerüst, auf dem sich gut aus der Höhe auftreten lässt.
Die Berliner Schaubühne hat sich nun, ganz klassisch nach dem Vorbild des Globe Theatre, so ein Theater in ihren Saal C gesetzt – und sich mit „Richard III.“ gleich mal die Freiheit genommen, es überraschend zu bespielen. Regie Thomas Ostermeier. Richard III. Lars Eidinger. Was hatte man, nach dem Welterfolg des „Hamlet“ in derselben Konstellation, nicht alles erwartet. Raumgreifendes Aus-der-Rolle-Fallen. Direktes Anspielen des Publikums. Einmal isst Eidinger Pellkartoffeln mit Quark. Jetzt geht es aber los, dachte man spätestens da, das Gemansche, die Quarkschlacht. Ging aber nicht los. Vielmehr hat Ostermeier die Nähe, die die Bühne bietet, für die Herstellung sehr intimer Theatersituationen genutzt.
Das zentrale Requisit, das die Inszenierung beherrscht, hat mit Shakespeares Globe Theatre nichts zu tun. Es ist ein Mikrofon, das von der Decke hängt und in das ein Scheinwerfer sowie eine Kamera eingebaut sind. Da alle Rollen außer Richard selbst blass bleiben, ist es der eigentliche Mitspieler, manchmal auch Gegenspieler von Lars Eidinger. Er greift nach ihm wie nach einem Halt, flüstert seine Monologe hinein, schreit gelegentlich zu harter Livemusik den englischen Originaltext hinein und lässt sich von dem Gerät filmen. Am meisten im Gedächtnis bleiben dabei die leisen Momente, wenn dieser Richard sich darüber wundert, wie leicht er mit seinen Verstellungen und Intrigen durchkommt.
Nicht alle Szenen sind gleich gut. Die Frauenfiguren sind zu sehr eins zu eins in ihrem Leiden ausgestellt. Und die Hofgesellschaft hat Ostermeier zu austauschbar als graue Männer inszeniert. Vielleicht verlässt er sich auch zu sehr darauf, dass die individuelle Tragik schon durchkommt, wenn die jeweiligen Schauspieler mit versteinerter Miene zum Sterben abtreten. Intensität, Nähe, Dichte – das lastet alles auf Eidinger.
„Inside IS“, Gripstheater Berlin, weitere Termine: 15./28./29.10., 18./19.11., 10.12., 21.1. jeweils 19.30 Uhr; 21.11., 8.12., 23.1. jeweils 18 Uhr, 14.10., 22.11. 9.12., 24.1. jeweils 11 Uhr. Nach jeder Vorstellung gibt es ein von Expert*innen geführtes Publikumsgespräch.
Ganz großer Schluss
Immerhin zwei klassische Shakespeare-Momente gönnt Ostermeier den Zuschauern. Wenn er einen Mord im Tower als Slapstick zweier mit ihren Gewissen ringenden Mördern inszeniert. Und wenn er die Szene voll ausspielt, in der Richard die Königskrone angeboten wird, nachdem er seine Widersacher aus dem Weg geräumt hat. Richard hat sich vorgenommen, sich erst etwas zu zieren, macht das aber so gut, dass die Hofgesellschaft zunächst wirklich glaubt, er wolle gar nicht König werden. „Richard III.“ ist auch ein Stück über die Macht der Sprache, die sich immer auch gegen den Sprecher wenden kann.
Ganz groß ist der Schluss. Richard III. hat inzwischen alle Menschen umgebracht, die ihm nahe waren. Nun liegt er ganz allein auf der Bühne und hat Albträume. Dann geht der Showdown los. Lars Eidinger im Spiegelfechten gegen imaginäre Gegner, die gar nicht da sind, ihm aber alle Anstrengung abnötigen: Hier geht es wirklich auf Leben und Tod. Schließlich wird Richard hinterrücks erstochen. Im Kampf mit niemandem als sich selbst war Eidinger schon das ganze Stück über ganz bei sich.
Thomas Ostermeier wollte offenbar keinen „Hamlet II.“ servieren, keinen erwartbaren Theatertriumph. Das ist okay. Etwas beeindruckend Darkes, Beklemmendes geht auch von seinem „Richard III.“ aus. Wenn er aber konsequent gewesen wäre, hätte er das ganze Stück so wie den Schluss, nämlich als Solo, inszeniert.
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