Rhododendronhain im Tiergarten: Der Traum, im Verwelken begriffen
Der blühende Rhododendronhain im Tiergarten ist ein Besuchermagnet. Leider wissen sich viele nicht zu benehmen. Die Schäden in der Natur sind groß.
Berlin taz | Schon von Weitem das Leuchten: ein Traum von Blüten, violett und rosa, einige auch rot, gelb oder weiß. Drei bis vier Meter hoch sind die Büsche. Davor zwei junge Frauen. Die eine hat eine Kamera geschultert, die andere tauscht ihre Sneaker gegen hochhackige Schuhe. Fertig zum Fotoshooting schiebt sie sich zwischen die Büsche, bis der Körper ganz von den Dolden umgeben ist.
Szenen wie diese spielen sich im Tiergarten zurzeit häufig ab: Die blühenden Rhododendronhaine sind ein Besuchermagnet. Vielen Menschen fehle es aber leider an Respekt vor den Pflanzen, bestätigt der Revierleiter des Tiergartens, Markus Schwenke, der taz auf Anfrage. „Oft müssen wir beobachten, wie sich Besucher in die Büsche stellen, um sich dann zu fotografieren – gerade in der Hauptblütezeit.“
Auch die bei Touristen beliebten Fahrradrikscha-Touren zwängten sich zum Teil zu zweit nebeneinander den schmalen Weg entlang, blieben für Fotos stehen, sodass die anderen Parkbesucher nicht mehr vorbeikämen und in die Pflanzung auswichen.
Der Schaden sei immens, berichtet Schwenke. Zweige brächen ab, der Boden werde durch die Tritte verdichtet. Aber das ist nicht alles: „Ganze Äste mit Blüten werden abgebrochen, um sie zu Hause in die Vase zu stellen.“
Der Park ist schon genug gebeutelt
Das passiert in einem Park, der wegen seiner zentralen Lage nicht umsonst als Berlins Lunge bezeichnet wird. Einem Park, der von den vielen Großveranstaltungen, die jedes Jahr an den Rändern stattfinden, schon genug gebeutelt ist.
Vielleicht führen ja ein bisschen mehr Wissen und Aufklärung zu größerer Achtsamkeit und Respekt: Seit 1954 gibt es die Rhododendronhaine. Der Gartenbaudirektor Willy Alverdes war es, der den Wiederaufbau des Tiergartens nach dem Zweiten Weltkrieg koordiniert und den Englischen Garten und den Rhododendronhain angelegt hat. Der Park – das nur nebenbei – war nach dem Krieg nahezu komplett zerstört: nur 750 Altbäume hatten überlebt, 250 von ihnen stehen heute noch.
Nach wie vor habe der Rhododendron „einen sehr großen Stellenwert“ bei der Gestaltung des Tiergartens, betont Revierleiter Schwenke. Bereiche um die Löwenbrücke, am Englischen Garten und die Ränder der Gewässer seien schwerpunktmäßig mit den Büschen bepflanzt. Dominierend seien lila blühende Sorten.
Und dann ist da das Gärtnerische. „Der Pflegeaufwand ist relativ hoch“, erklärt Schwenke. Rhododendren seien Moorpflanzen. Sie bräuchten einen eher sauren Boden und müssten viel gewässert werden. Auch eine regelmäßige Düngung sei wichtig sowie ein gelegentlicher Rückschnitt, damit die Büsche nicht zu hoch würden. „Wenn es personell möglich ist, brechen wir nach der Blüte die alten Blüten aus. So geht die Kraft in den Wuchs und in das Ansetzen neuer Blüten für die nächste Saison.“
Kaum zu glauben also, wie viel Arbeit, Mühe und Liebe in den Rhododendrenhainen steckt. Doch weil jede Berichterstattung darüber neue Besucher anlockt, sähe man das große Medieninteresse mit gemischten Gefühlen, verrät der Revierleiter. Darum sei zum Schluss gesagt: Die Hochzeit der Blüte ist für dieses Jahr vorbei. Der Traum ist im Verwelken begriffen, beschleunigt durch die warme Witterung der letzten Tagen. Hinzugehen lohnt sich aber immer noch, vor allem morgens. Aber bitte benehmen. So wie das Rentnerpärchen, das händchenhaltend in respektvollem Abstand die Büsche bestaunt.
Leser*innenkommentare
Suryo
Wie schon neulich geschrieben: es helfen nur noch Strafen. Man braucht keine teuren Sensibilisierungskampagnen, um Menschen Selbstverständliches zu erklären. Jedes Kind kapiert, dass man Dinge nicht kaputtmacht, dass man Müll nicht einfach wegwirft und seinen Dreck selbst wegmacht.
Es funktioniert überall sonst. Wenn erstmal in jeder Clique einer ist, der für Zerstörung oder Vermüllung 1.000 Euro blechen musste, verschwindet das Problem ganz schnell.
Zebulon
@Suryo ne, glaube ich eher nicht, daß solche Strafen etwas bewirken, denn : wer setzt sie und wie durch ?
Überhaupt ist es das generelle Problem mit den Menschen. Die handeln nach wie vor der Natur gegenüber nur ausbeutend. Das Gefühl, es hier mit genauso lebenden Wesen wie uns selbst zu tun zu haben, ist nicht existent. Da haben viele Medien eine Mitschuld, in der Hauptsache ist es aber eine direkte Erziehungsfolge. Ansonsten ... siehe dazu auch unter "Clubkultur", die hier ja so oft beworben wird :-(
Suryo
@Zebulon Es funktioniert überall sonst auf der Welt.