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Rezeptfreie EmpfängnisverhütungWenn mal wieder was daneben geht

Das Bundesgesundheitsministerium will an der Rezeptpflicht für die „Pille danach“ festhalten. Mittlerweile sind auch Teile der katholischen „Donum Vitae“ dagegen.

Die „Pille danach“ gibt es seit 1961 bei uns: nur rezeptfrei bis heute nicht Bild: ap

BERLIN/KÖLN dpa | Trotz der SPD-Forderung nach einer Freigabe der „Pille danach“ will das Bundesgesundheitsministerium an der Rezeptpflicht festhalten. Die Parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) erklärte am Donnerstagabend im Bundestag, man lege großen Wert auf die ärztliche Beratung der Betroffenen. „Das stärkt Frauen in ihrer Selbstbestimmung und gibt ihnen Sicherheit.“

Die „Pille danach“ verzögert den Eisprung und kann somit eine Schwangerschaft verhindern, wenn das Medikament spätestens 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr eingenommen wird. Bislang muss dieses Produkt vom Arzt verschrieben werden.

Der zuständige Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht hatte allerdings empfohlen, die Rezeptpflicht aufzuheben. Auch die Oppositionsfraktionen von Linken und Grüne befürworten das.

Nachdem das umstrittene Thema im Koalitionsvertrag ausgespart wurde, gehen die Sozialdemokraten jetzt auf Konfrontationskurs zur Union. „Ich glaube, dass wir als SPD in wichtigen und zentralen Punkten unsere Position durchaus weiter vertreten sollten“, sagte die SPD-Gesundheitsexpertin Hilde Mattheis im ARD-Morgenmagazin.

Nebenwirkungen sind äußert selten

Auch ihr Fraktionskollege Karl Lauterbach hält eine Beratung durch den Apotheker für ausreichend. Nebenwirkungen seien äußerst selten und verliefen in der Regel sehr mild, sagte er im Bundestag.

Doch nicht nur in der großen Koalition gehen die Meinungen auseinander, sondern auch bei der katholischen Schwangerenberatung „Donum Vitae“. Die Bundesvorsitzende Rita Waschbüsch sagte der dpa, ihre Organisation sei für die Beibehaltung der Rezeptpflicht. Das Medikament sei mit einem massiven Hormonstoß verbunden und deshalb „gar nicht so unproblematisch“.

Der nordrhein-westfälische Landesverband von „Donum Vitae“ will hingegen eine rezeptfreie Abgabe in der Apotheke. Referent Matthias Heidrich sagte zur Begründung, auf dem Land könne es schwer sein, innerhalb der 72-Stunden-Frist einen Arzt zu finden, der das notwendige Rezept ausstellt.

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10 Kommentare

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  • MK
    Meike K.

    Das Frauenbild des Gesundheitsministers wird hier überdeutlich: Frauen brauchen (Zwangs)beratung! Auch ein gewisser "Eriehungsgedanke" ist hier überdeutlich: zur Strafe musst Du nun zusehen, wie Du schnell einen Termin kriegst und Dir dann anhören, was Du wahrscheinlich eh schon weißt. Zudem schafft es die eine oder andere vielleicht nicht rechtzeitig und ein neues Christenkind ist im Werden - hurra... Wo leben wir eigentlich?! Nur Italien und Polen haben das Medikament noch nicht rezeptfrei. Hat die Kirche bei uns tatsächlich so eine große Macht?! Es scheint so. Aber selbst dieser Art von Christen sollte "die Pille danach" mehrfach lieber sein, als eine Abtreibung! Auch erzkonservative Christen dürfen weiter wie bis zur Nasenspitze denken!

  • Der Gesetzgeber hat einen erheblichen Gestaltungsspielraum, aber auch der hat Grenzen. Niemand kann bestreiten, dass die Vermeidung einer Schwangerschaft zum Kern der persönlichen Lebensgestaltung gehört – ebenso wie das Ausleben der Sexualität: Enthaltsamkeit reicht also als Vermeidungsmöglichkeit nicht aus.

     

    Es trifft also eins der schwersten grundrechtlichen Geschütze auf die religiöse Verirrung eines Ministers. Der rechtlich spannende Punkt daran ist: Wenn sich die (sowieso nur vorgeschobenen) Gründe für die Ablehnung als beweisbar falsch erweisen (vermutlich schon, wenn sie unbelegt sind, insbesondere angesichts der umfassenden Faktenlage im Ausland), dann liegt hier das juristische Todesurteil jeder staatlichen Entscheidung vor: Willkür.

     

    Für einen Mann wohl schwierig, aber jede Frau (im passenden Alter...) wird durch diese Verweigerung mutmaßlich in ihren Grundrechten verletzt. Also möge doch eine von ihnen den Minister (der damit dann auch politisch entsorgt wäre; darauf will er es vielleicht nicht ankommen lassen, Merkel wird ja nicht ewig ihre schützende Hand über ihn halten können) von Karlsruhe zur Ordnung rufen lassen. In Fällen "von allgemeiner Bedeutung" (und mehr geht ja kaum) ist nicht einmal die Einhaltung des Rechtswegs erforderlich.

  • "Die „Pille danach“ verzögert den Eisprung und kann somit eine Schwangerschaft verhindern..."

    Aber als rote Überschrift:

    "Rezeptfreier Schwangerschaftsabbruch".

    Was denn nun, Abbruch oder Verhinderung?

     

    Im ersten Fall sähen die katholischen Stimmen sicher anders aus.

    Die kassenärztliche Vereinigung ist für Rezeptpflicht, natürlich, die Ärzte wollen nicht, dass das Geschäft an ihnen vorbei abgewickelt wird.

     

    Was die Beratung angeht, so fühle ich mich allemal bei der Apothekerin besser aufgehoben, sofern es um Nebenwirkungen und Risiken geht. Nach meiner Erfahrung greifen Ärzte eher kommentarlos zum Rezeptblock, als dass Apotheker ein Medikament kommentarlos über die Ladentheke gehen lassen.

     

    Und von einer Abratung durch konservative Ärzte und Organisationen haben wir genug. Die Frauen wissen, was sie wollen, und wo nicht: Rezeptfreiheit bedeutet doch nicht das Verbot, ärztlichen Rat einzuholen, oder?

  • I
    istok

    'Trotz der SPD-Forderung nach einer Freigabe der „Pille danach“ will das Bundesgesundheitsministerium an der Rezeptpflicht festhalten.'

    Wie kann das Bundesgesundheitsministerium es nur wagen einer Forderung der SPD nicht nachzukommen? Was bilden die sich ein?

  • Wenn man sich mal die ganzen "Nebenwirkungen" durchliest und was passieren kann, wenn auch mit der Pille danach nicht alles reibungslos funktioniert, dann fragt man sich schon, wer demjenigen, der diese rezeptfrei fordert, ins Hirn gesch*** hat -.-

    Ich seh schon die ganzen blöden Mädels (sieht man ja allein in den ganzen Umfragen etc, wie "clever" die Kids heutzutage oftmals sind) sich fröhlich durch die Schule v**eln, und sich ständig vorsagen "hey, kann ja nix passieren." Spätestens nach der 3. Pille danach dämmerts allerdings auch denen ggf.... vielleicht.. ein bisschen.. was sie sich damit antun. So ungefährlich, wie die Pille von der Pharmaindustrie (war doch klar, oder?) angepriesen wird, ist sie nämlich nicht.

    • @fox:

      Welch ein Glück, dass diese Nebenwirkungen nicht auftreten, wenn ein Arzt das Ausstellen des Rezepts abrechnen kann.

       

      Und was sind schon belanglose Nebenwirkungen in 1% der Fälle gegen die "Nebenwirkung" einer Schwangerschaft durch verzögerte Einnahme in 10% bis 30% aller Fälle? Aber, hey, die Schwangerschaft spült ja – so oder so – auch wieder Geld in die Taschen der Ärzte, also ist das nicht so schlimm. Und was die echten Nebenwirkungen von Schwangerschaft oder Abbruch angeht: Dann hätte sie halt nicht so viel rumvögeln, sondern mehr auf den Papst hören sollen, ne? Nebenwirkungen sind nur dann schlimm, wenn die Menschen etwas tun, das man nicht gutheißt.

       

      Wo sind eigentlich die belegbaren Probleme im Rest der Welt? Oder treten Nebenwirkungen nur in Deutschland auf, weil, öhm, die Regierung hier so "christlich" ist...?

      • @Hauke Laging:

        Um Himmels Willen, die Ärzte verdienen ja Geld mit ihrer Arbeit. Schluss damit!

        Wir vertrauen wieder zum Nulltarif Knaus & Ogino und wenn's Scheiße gelaufen ist, wird die Engelmacherin bemüht. Und geht da was schief, naja, dann eben die anonyme Bestattung, damit bloß kein geldgeiler Arzt, was dran verdient hat! Da sei der Bestattungsunternehmer oder sonstwer davor!

        Vielleicht hat ja auch noch jemand was aus dem reichen Schatz der germanischen Medizin zu diesem Thema.

  • Daneben ist wohl eher kein Problem ... ;-)

  • C
    Charlotte

    Der Titel ist sehr irreführend.

    Die Pille danach verhindert den Eisprung, daher kommt es nicht zu einer Befruchtung und ergo nicht zu einer Schwangerschaft. Von einem Schwangerschaftsabbruch kann also keine Rede sein. Warum wird so ein irreführender Tiel für den Artikel genommen?

  • CL
    cognitive linguist

    Die Präparate, die als "Pille danach" bezeichnet werden und zur Zeit in der Diskussion sind, bewirken eben gerade keinen "Schwangerschaftsabbruch", sie verhindern lediglich, dass eine Schwangerschaft überhaupt entsteht. Das schreiben Sie ja auch ganz korrekt im Artikel selbst, wieso dann diese irreführende Formulierung im Übertitel?