Rexrodt am Galgen

■ IG Bergbau organisiert erregte Kumpel-Demos: "Die Lunte brennt" / Kraftwerk Bergkamen nicht mehr besetzt

Bochum/Potsdam (AP/dpa) – Aus Empörung über Forderungen von Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt, im Bergbau bis zum Jahr 2005 zusätzlich 40.000 Stellen abzubauen, haben Kumpel gestern bei einer Großdemonstration in Hamm symbolisch eine Puppe mit dem Namen des FDP- Politikers an einem Galgen aufgehängt. Bei der Kundgebung in der Ruhrgebietsstadt demonstrierten nach Angaben der Industriegewerkschaft Bergbau rund 15.000 Bergleute gegen die Bonner Kohlepolitik. Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft forderte Bundeskanzler Kohl auf, die „brandstiftenden“ Äußerungen Rexrodts unverzüglich richtigzustellen.

Rexrodt plädiert dafür, die Verstromungsmenge bis zum Jahr 2005 auf 20 Millionen Tonnen jährlich zu senken, 15 Millionen Tonnen weniger als im Bonner Kohlekompromiß von 1991 vorgesehen. Die Hammer Großdemonstration war der Höhepunkt eines von der IG Bergbau ausgerufenen Protesttages. In Bottrop errichteten zur gleichen Zeit rund 1.000 Kumpel neben der Kokerei Prosper einen symbolischen Kokereifriedhof aus 27 Kreuzen, der an die in den vergangenen Jahren geschlossenen 27 Ruhrkohle-Kokereien erinnern sollte. Auch die Arbeiter der südbrandenburgischen Braunkohlereviere setzten in Potsdam die Proteste zur Erhaltung ihrer Arbeitsplätze fort. Einige von ihnen versuchten, den Magistrat der Stadt zu stürmen. Die Potsdamer Stadtverordneten wollen statt der Lausitzer Braunkohle Importerdgas im künftigen Heizkraftwerk der Stadt verwenden.

In Hamm zogen Kumpel aus dem gesamten Ruhrgebiet zunächst in drei Demonstrationszügen durch die Stadt zum Bahnhofsvorplatz. Dabei führten sie einen Sarg mit sich, auf dem zu lesen war: „Erst stirbt die Zeche, dann die Stadt.“ Auf Transparenten warnten die Bergleute: „Die Lunte brennt.“ Vor dem Rednerpult baumelte an einem Galgen eine Puppe des Bundeswirtschaftsministers, in den Händen ein Plakat: „Wortbrecher Rexrodt.“ Gewerkschaftssprecher drohten eine härtere Gangart der Kumpel im Kampf um ihre Arbeitsplätze an. Sie forderten bei der Demonstration die Bundesregierung auf, die Vereinbarungen der Bonner Kohlerunde von 1991 über die Subventionierung des Bergbaus bis 2005 einzuhalten und schnell eine Entscheidung über die künftige Finanzierung der Kohleverstromung zu treffen.

Dagegen beendeten am Montag morgen rund 200 niederrheinische Bergleute nach vier Tagen die Besetzung des Steinkohlekraftwerks Bergkamen-Heil. Das 747-Megawatt-Kraftwerk hatte seit vergangenem Donnerstag nur mit halber Kraft arbeiten können, da die Kumpel die Förderbänder blockierten, um gegen die Verstromung billiger Importkohle zu protestieren. Ein Sprecher der IG Bergbau sagte, die Kumpel hätten ihre Aktion abgebrochen, da sonst die Kohleförderung auf der benachbarten Zeche Monopol hätte eingestellt werden müssen.

Die stellvertretende DAG-Vorsitzende Ursula Konitzer erklärte am Montag in Bonn, die von Rexrodt ins Auge gefaßte Verringerung der Förderung auf 20 Millionen Tonnen im Jahr 2005 würde das Ende des Steinkohlebergbaus und einen Bruch des Jahrhundertvertrags bedeuten.