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Revival der Punkband SlimeDagegen sein, auch wenn's doof ist

Die Punkband Slime gibt zu ihrem 30-jährigen Bestehen im Berliner Club SO 36 vor allem Klassiker zum Besten. Und die traditionellen Straßenschlachten bleiben aus.

Warum? Weil sie eben um sind. Die Punkband Slime gibt es dafür immer noch. Bild: dpa

BERLIN taz | Nein, es kam nicht zum Aufstand beim Slime-Konzert im SO 36. Im Gegenteil, Punks fuhren bei der Kälte mit dem Taxi vor. 1981 war das anders, die Website vermerkt für das Jahr lakonisch: "diverse Gigs mit anschließenden Straßenschlachten, vor allem im Berliner SO 36". Das stand am Mittwoch nicht zu befürchten - das SO 36 war ausverkauft, die Schlange vorm Eingang lang, doch war man sehr diszipliniert, es gab kein Geschubse und Gejohle.

Und im Schnee vor dem altgedienten Punkschuppen standen alle Generationen, Geschlechter und Klassen - alte Punks und junge, gestandene Proletarierinnen und Junge in teuren neuen Adidas-Jacken, Arbeitslose. Früher war man unter sich, es waren Jungs, laut, bierselig, in Pogo-Laune. So dachte der Journalist, sah an sich herab - und musste bemerken, dass er selbst zu den alten Säcken gehört. Und dass er gemischte Gefühle hatte, nicht nur den Pogotanz betreffend.

Rücksicht auf die Älteren

Die Band Slime, die aus Anlass ihres 30-jährigen Bestehens aufspielte und deren zwei Konzerte in Berlin restlos ausverkauft waren, nimmt Rücksicht auf die Älteren und betritt schon um 22 Uhr die Bühne. Es sind drei Gründungsmitglieder, ein junger Schlagzeuger und eine junge, sehr gute Bassistin. Eine Frau auf der Bühne, auch das ist neu für die Parolen- und Spaßbands der zweiten Generation, die jenes Gepose und Gemacker, für das der Punk der ersten Generation den Rock 'n' Roll verachtet hatte, wieder auf die Bühne brachten - nur mit einfacherer Musik.

Slime machten es sich zu ihrer besten Zeit mit der Musik nicht einfach, Einflüsse des britischen wie des amerikanischen Punk waren hörbar, man versuchte sich erfolgreich an Reggae und frühem Rock, selbst dann, wenn Gitarrengegniedel und stumpfes Bassdrumgedresche, das den Deutschpunk so deutsch macht, nie zu kurz kamen.

Die Texte dagegen machten Slime keine Mühe: "Wo Faschisten und Multis das Land regiern, / wo Leben und Umwelt keinen interessieren, / wo alle Menschen ihr Ich verliern, / da kann eigentlich nur noch eins passieren: / Deutschland muss sterben, damit wir leben können" heißt es in ihrem wohl bekanntesten Lied, "Deutschland muss sterben", und klingt schon eher wie auf links gewendeter Hermann Hesse. Und wer der Feind ist, ist immer gleich Faschist, auch das ist logo für die Band. Daher heißen Songs "Polizei SA/SS" oder "Bullenschweine", heißt es "Yankees raus"! Für Appellatives, und sei es noch so stumpf und blöd, war sich die Band nie zu schade.

Alle Klassiker, außer "Yankees raus", werden auch am Mittwoch Abend gegeben. Und am Anfang kam man sich vor wie auf jedem Deutschpunkkonzert mit "Legenden": Der Sänger brüllte mit rauer Stimme und trinkt Wasser, an der Bar floß das Bier, Töchter und Väter grölten alle Texte mit und reckten die Fäuste, junge Menschen sprangen vom Bühnenrand in die Menge.

Sie wollen den Umsturz

Dirk Jora, der Sänger, versuchte die alten Songs - es gibt keine neuen - in einen aktuellen Kontext zu stellen. Daher redete er über die Proteste gegen Stuttgart 21, über das Vorgehen der Polizei gegen die Demonstrationen, über den neuen Faschismus. Das Weltbild ist das alte geblieben. Und bald "gewinnen wir", der ganze Saal brüllt mit. Schön doof.

Ja, doof. Aber bei aller Kritik: Anders als die Toten Hosen oder andere Hallenpunkbands beweisen Slime Haltung, sehen sich weiterhin als linke Band, sind Antifaschisten (wobei Faschismus für sie ja recht viel ist) und hassen den Staat leidenschaftlich. Als in der Zugabe "Deutschland muss sterben" gespielt wird, brüllt der Saal "Deutschland verrecke", und so blöd das ist, Anti-Etatismus ist besser als das ewige Schielen auf Teilhabe am parlamentaristisch verfassten Staat, das viele Linke so anders dumm macht und sie den eigenen Lobbyismus nicht mehr sehen lässt.

Slime wollen den Umsturz, sie wollen ihn für uns. Das ist toll, auch wenn der Umsturz so, wie sie ihn sehen, nicht kommen sollte. Aber erst mal dagegen sein, das ist immer besser als immer schon dafür.

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14 Kommentare

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  • E
    Earthworm

    Ein so große Menge an Unwissenheit ist schon lange nicht mehr veröffentlicht worden. Hier hat einer das "Klassenziel" aber gründlich verfehlt.

  • L
    Lukas

    Hier gibts einen besseren Artikel:

    http://schule-der-rockgitarre.de/de/magazin/176

  • NR
    Ned Rise

    Ein Lob an den Autoren, hat mir gut gefallen. Womöglich hat sich Herr Sundermeier aus alter Liebe zur Band und "Szene" sogar noch zurückgehalten - schade eigentlich, denn solche Oldie-Shows, auf denen 30 Jahre alte Parolen krakelt werden und alle bierseelig den Traum vom Multikulti-Anarcho-Ponyhof träumen, sind - wie Herr Sundermann treffend bemerkte - einfach nur doof. Und nach dem Konzert noch ne Scheibe an der Deutschen Bank einwerfen und einen Porsche zerlegen. Da werden die "Faschisten" und "Multis" sich aber mal richtig in die Hose gemacht haben ...

  • UK
    Uwe Kreischler

    Ne ne aber nen besserer Artikel war ja von so ner Zeitung wie der TAZ nich zu erwarten.Aber hey sehts positiv bald könnt ihr mal nen Artikel über euch schreiben weil euer Weltbild ist wesentlich verkrusteter als das von Slime.Slime is ne Band die wenigsten noch die Probleme nennt und sie nich so wie ihr unterm Teppich kehrt.liebe Grüße der Punk aus Berlin

  • SL
    Sven Lass

    mein komletter kommentar kann hier nachgelesen werden:

    http://disorder.blogsport.de/2010/12/17/linke-spiesser/

     

    Fazit:

     

    Wäre Ihrem Konzertbesuch etwas Goodwill zu Grunde gelegen, hätten Sie nicht gründlich eine Chance verpatzt einen spanenden Artikel zu schreiben. Bezeichnenderweise haben Sie einen Song ganz bewusst überhört, den hat die Band in der Mitte des wirklich grandiosen Konzertes gespielt – der Titel des Evergreen heisst „linke Spiesser“ und den würde ich Ihnen hiermit gerne in voller Lautstärke um die Ohren knallen!

  • K
    Knallzange

    Ausserdem hasse ich die Toten Hosen!

  • K
    Knallzange

    Warum wurde nicht "Yankees raus" gespielt?

  • R
    Rainer

    Da hat aber einer anscheinend gar nichts verstanden. Als erste Nachhilfestunde schlage ich vor den Text von "linke Spiesser" auswendig zu lernen, aber bitte in der Ich-Form singen.

  • N
    nik

    Was war jetzt die Aussage? Keine Ahnung. Wie auch immer, um mal wieder Schweineherbst rauszukramen reicht der Artikel.

  • KK
    Karl Kautsky

    gab doch die obligatorischen krawalle.wohl zu früh ins bett gegangen, hm?

     

    @spin: "kritischer etatismus"...köstlich :D

  • H
    huckleberry

    und die straßenschlachten bleiben aus? zu früh heim gegangen oder wie?

  • S
    Spin

    "Anti-Etatismus ist besser als das ewige Schielen auf Teilhabe am parlamentaristisch verfassten Staat"

     

    Da hat der sonst so kluge Sundermeier mal unrecht. Das Mitbrüllen bei Slime ist nicht als ein leerer Protestgestus, der sich selbst keinen einzigen politischen Inhalt mehr glaubt, der vollkommen begrifflos geworden ist - wenn er es nicht immer schon war. Und zwar vollkommen unabhängig davon, ob es im Anschluss oder am 1. Mai zum - politisch ebenso bedeutungs- und folgenlosen - Krawall kommt.

     

    Anti-Etatismus wird von der radikal-kapitalistischen Rechten und den Nazis, die gegen das "korrupte System" der "Globalisten" kämpfen, heute leider viel volksnäher und anschlussfähiger auf den Punkt gebracht. Sarrazin diktiert, wogegen sich das Ressentiment der Massen zu richten hat. Wer widerspricht, gehört heute zum "Establishment".

     

    Linker Anti-Etatismus ist heute leider antiquiert, wenn nicht gar reaktionär, weil der gutgemeinte Krawall dem ohnehin mächtigeren Gegner in die Hände spielt. Was es braucht, ist kritischer Etatismus, die Ausweitung demokratischer Partizipation. Unter der Prämisse eines Sozialstaates, der hilft, die Ängste, die reaktionär machen, einzudämmen. Institutionen, die das leisten, sind zu stärken. Hat das Erfolg, kann man weiter sehen.

  • E
    EU-Gegner

    Genügend "Scheiße" läuft doch wohl in Politik und Gesellschaft! Mehr, krasser und offensiver als je zuvor. Was im Moment abgeht ist noch härter als 68 oder Anfang der 80er. Die Demokratie wird gerade abgeschaft und die Bevölkerung faschistisch ausgebeutet und überwacht. Polizeistaat wird verstärkt und die Abhängigkeit von der USA ist mittlerweile so augenscheinlich wie noch nie. Nur unsere alten Kampfkollegen sind alle etabliert und von Konsum so vollgefressen, haben die typisch deutsche Sicherheitsgeilheit bekommen und wollen ohne Ärger Alt werden und Ihre schöne Riesterrente die sie alle abgeschlossen haben noch kassieren. Mensch wenn ich euch alle sehe krieg ich´s kotzen. Punk und Wiederstand ist so notwendig wie noch nie. Nur saufen und rumgrölen, das war schon damals nicht ausreichend. Aber man darf die Punkscene halt nicht mit der interlektuellen Scene in den 60/70ern gleichsetzten. Was Rio Reiser heute wohl singen würde. ? "Kauft euch ne´n BMW, fahrt drei mal im Jahr nach Malle, schlagt euch um die neue Playstation usw...." Wohl kaum.

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Ich finde den Artikel auch doof.