Rettungspakete für Griechenland: Linke lässt Ablehnungskurs los
Erstmals könnte die Linke den Rettungspaketen für Athen zustimmen. Nicht alle Parteimitglieder werten das als gute Strategie.
BERLIN taz | Wenn bislang im Bundestag über die sogenannten Rettungspakete für Griechenland abgestimmt wurde, stand das Nein der Linkspartei stets wie in Stein gemeißelt. Das wird am Freitag bei der Entscheidung über die Verlängerung des Kreditprogramms für das notleidende Land anders sein. Noch sind sich die Abgeordneten aber uneinig, ob sie dem Regierungsantrag gleich zustimmen oder sich besser enthalten sollten.
Der Grund, warum die Linkspartei nicht länger an ihrem strikten Ablehnungskurs festhält, hat sechs Buchstaben: Syriza. Seit die griechische Partnerpartei die Regierungsgeschäfte in Athen führt, muss sich die Linkspartei stärker mit den Tücken der Realpolitik auseinandersetzen. „Wir stehen hundertprozentig hinter Syriza und den Menschen in Europa, die unter dem Kürzungsdiktat von Schäuble & Co. leiden“, sagt der Linkspartei-Vorsitzende Bernd Riexinger. Diesen Satz dürften wohl alle in der Partei unterschreiben. Aber was folgt daraus?
„Solidarität ist mehr als Reden“, begründet Stefan Liebich vom Reformerflügel sein Werben für ein Ja bei der Abstimmung am Freitag. Die Genossen von Syriza hätten um Zustimmung gebeten, „und das sollten wir tun“. Auch Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn wirbt dafür. Mit der erzielten Vereinbarung gebe es „die reale Chance auf einen Einstieg in eine sozialere Politik in Griechenland“.
Abgeordnete vom linken Flügel sehen das anders: „Die Herrschaft der Troika wird im Antrag der Bundesregierung festgeschrieben“, empört sich Sevim Dagdelen. „Es bleibt bei Merkels Angriff auf die Demokratie in Europa, dem ich nicht zustimmen kann.“ Ulla Jelpke sieht das genauso: „Meinem Gewissen nach kann ich Schäubles Antrag nicht zustimmen.“ Aber: „Wenn die Fraktion sich am Freitag vor dem Plenum jedoch auf eine Enthaltung einigt, würde ich mich diesem anschließen.“
Vorab für den Antrag
Bei einer Probeabstimmung am Dienstag votierte eine klare Mehrheit für die Zustimmung zum Regierungsantrag. Dafür ist auch Co-Parteichefin Katja Kipping. Ihr Mitvorsitzender Riexinger plädiert hingegen für Enthaltung, wie auch Vizefraktionschefin Sahra Wagenknecht. Zwar sei es weiterhin problematisch, in welcher Weise der griechischen Regierung durch das Hilfsprogramm „Handlungsspielräume abgeschnürt werden“, sagte Wagenknecht. Aber es sei wichtig, Syriza eine Chance zu geben. „Wir wollen ihr nicht den Boden abgraben.“
Riexinger argumentiert ähnlich. „Premierminister Tsipras und Finanzminister Varoufakis haben in wenigen Wochen mehr erreicht als jede griechische Vorgängerregierung“, sagt er. Es sei „zu begrüßen, dass die neue griechische Regierung Zeit und damit Handlungsspielraum gewinnen konnte“. Trotzdem gebe es „keinen Grund zum Feiern“, schließlich sei der neuen griechischen Regierung das Messer an die Kehle gesetzt worden. Die Linkspartei müsse deutlich machen, dass sie weiter einen „Kurswechsel bei der Austeritätspolitik“ erkämpfen wolle.
Für Freitagmorgen ist eine Sonderfraktionssitzung angesetzt. Noch haben sich viele Abgeordnete nicht endgültig entschieden, wie sie votieren werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr