Rettung des Billen-Pavillon: Aufbruch statt Abbruch
Der Wolfsburger Billen-Pavillon ist ein architektonisches Schmuckstück – und verfällt. Eine Ini bespielt ihn nun mit einem anspruchsvollen Programm.
Der Bau, also dieser Billen-Pavillon, ist ein architektonisches Kuriosum, gar ein Kleinod, und steht seit Ende 2012 unter Denkmalschutz. Was nicht verhinderte, dass er in diesen beklagenswerten Zustand verfiel. Errichtet wurde er 1959 als Büropavillon mit Kundenempfang, Sitzungsraum und Bildhaueratelier der Firma Naturstein Billen.
Diese hatte mit der Stadtgründung 1938 einen Zweigsitz ihres Kölner Unternehmens in der „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“, wie Wolfsburg damals noch offiziell hieß, aufgeschlagen. Die rund eineinhalb Kilometer langen neuen Fabrikanlagen am Mittellandkanal verlangten nach Natursteinschmuck für ihre Eingänge oder Treppenhäuser, und das nicht zu knapp.
In Köln ausgebombt, verlegte sich die Firma Billen nach 1945 dann gänzlich nach Wolfsburg, wie die Stadt nun hieß, und fand hier neuerlich ein reiches Betätigungsfeld in vielen Bauten der Nachkriegsmoderne: Rathaus, Alvar-Aalto-Kulturhaus, Aaltos Heilig-Geist-Kirche, Scharouns Theater, das VW-Hochhaus und einiges mehr. Seit 1970 war der Betrieb auch überregional, gar international tätig, vorrangig im Bereich „exklusiven Innenausbaus“, wie es so schön heißt, die Aufträge sollen bis nach Südafrika gereicht haben.
Insolvenz im Jahr 2010
Im Jahr 2010 musste Naturstein Billen dann Insolvenz anmelden, bereits um 1990 hatte die Stadt Wolfsburg als ökonomische Stützungsmaßnahme die Firmenimmobilien erworben. Ein Hallenkomplex ist mittlerweile abgerissen, der Grundstücksteil an einen Investor verkauft, der darauf bis 2021 einen Büro- und Hotelkomplex errichten möchte. Verblieben in städtischem Besitz ist der Pavillon: ein heruntergekommener Leerstand ohne forcierte Instandhaltungs- und Nachnutzungsambitionen.
Dessen Architektur ist nun der Aufhänger des sommerlichen Veranstaltungsprogramms, das über drei Wochen den Ort reanimieren, seine Eignung im kulturellen Kontext erproben möchte. In der Tat ist das Gebäude bemerkenswert, seine Unterschutzstellung als Baudenkmal würdigte also nicht nur die wirtschaftshistorische Relevanz der Firma Billen für die Stadtgeschichte Wolfsburgs.
Wer seinen Blick nicht vom Zustand des Baus und mittlerweile notwendiger Sicherungsmaßnahmen in der transparent filigranen Eingangsfassade verstellen lässt, wird sicher erkennen, welch Inkunabel der klassischen Moderne hier Pate stand: Es ist der Barcelona-Pavillon, den Mies van der Rohe 1929 als deutschen Beitrag der Weltausstellung errichtetet.
Ähnlich seinem Vorbild ist auch der Billen-Pavillon im Inneren ein wahrer Rausch in Naturstein: Eine grün marmorierte Natursteinwand, ganz unverkennbar ein Zitat des großen Idols, grüßt im Empfang, der Fußboden ist mit hellem Marmor belegt, das Chefbüro mit Travertin ausgekleidet, eine Onyxwand und jede Menge Verlegungsbeispiele als Wandcollagen demonstrieren eindringlich die Kompetenz der Firma Billen fürs luxuriöse Gewerk.
Veranstaltungen bis 8. 9., Wolfsburg, Billen-Pavillon, Maybachweg, www.billen-pavillon.de; weitere Infos: www.wolfsburg.de/architekturnews
Firmenchef Johann Tillmann Billen soll sogar in direktem Kontakt mit Mies van der Rohe gestanden haben: In Wolfsburg hält sich die Erzählung, dass er 1955 Angehörigen der T.H. Braunschweig eine Flugreise nach Chicago finanzierte, um Mies van der Rohe dort persönlich die Insignien einer Ehrendoktorwürde zu überbringen. Vermutlich war auch Billens Architekt Rudolf R. Gerdes mit dabei – und sichtlich inspiriert vom großen Meister und seinem Werk.
Seit Sonntag beleben nun Ausstellungen und Installationen das Gebäude, Vertreter der Denkmalschutzinstanzen beziehen vor Ort Stellung. Ein Partner des Architekturbüros David Chipperfield – in Berlin mit der Sanierung der Nationalgalerie von Mies van der Rohe betraut – und auch regionale Praktiker kommen zu Gehör, bis am 8. September, dem bundesweiten „Tag des offenen Denkmals“ – diesjähriges Motto „Modern(e): Umbrüche in Kunst und Architektur“ – das Gebäude selber im Zentrum steht. Vielleicht ja doch mit hoffnungsvollem „Aufbruch“ in eine Zukunft des Billen-Pavillons.
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